Laßt uns zusammen Geschichte schreiben!
Der 1. Mai findet in diesem Jahr unter besonderen Bedingungen statt. Die alten Reflexe sind noch da, aber das Neue bricht sich bereits Bahn. OGBL und LCGB begehen den 1. Mai noch getrennt, auch wenn zu erwarten ist, dass sie in ihren Reden bestehende Gemeinsamkeiten betonen werden. Aber bereits zuvor fanden die zwei Gewerkschaften sich in einer Gewerkschaftsfront zusammen, die sich anschickt, im Kampf gegen soziale und arbeitsrechtliche Verschlechterungen Geschichte zu schreiben.
Anders als das noch 2022 der Fall war, als die vom Patronat gewollte Indexmanipulation von der Regierung durchgepeitscht wurde, ist es diesmal nicht gelungen, die zwei größten Gewerkschaftsverbände aus der Privatwirtschaft zu spalten.
Dass das so kam, hat damit zu tun, dass Patronat und Regierung sich der Gewerkschaften in der Arbeitswelt entledigen wollten, indem sie ihre Rechte massiv beschneiden und das gewerkschaftliche Exklusivrecht, Kollektivverträge auszuhandeln und zu unterschreiben, gesetzlich abschaffen wollten.
Für das Kapital und sein politisches Personal war »Sozialpartnerschaft« solange interessant, wie das ihnen erlaubte, ihre wirtschaftlichen und politischen Interessen zu wahren, indem mehr oder weniger Zugeständnisse an die Gewerkschaften gemacht wurden, ohne dass dafür die kapitalistischen Verhältnisse in Frage gestellt wurden, so dass deren Mechanismen die Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten, die dem Kapitalismus innewohnen, möglichst störungsfrei immer wieder reproduzieren und den Privatbesitz an den großen Produktionsmitteln absichern konnten. So funktioniert Ausbeutung am besten.
Doch der Kapitalismus kann immer weniger Auswege aus den großen wirtschaftlichen Herausforderungen, der Klimakatastrophe, der Schuldenkrise, der wirtschaftlichen und militärischen Kriege bieten, vor die wir uns gestellt sehen.
Daher die massiven Angriffe des Kapitals und der politischen Kräfte, die sich ihm verpflichtet haben, auf die Sozialsysteme, die sozialen und bürgerlichen Rechte der Schaffenden und der Gewerkschaften, und die Versuche, die Ausbeutung in allen Bereichen der Wirtschaft zu verschärfen.
Luxemburg bleibt nicht von dieser Entwicklung verschont. Der Angriff auf das Kollektivvertragswesen und auf die Arbeitszeiten von 50.000 Beschäftigten aus dem Handel, die Versuche, Verschlechterungen im öffentlichen Gesundheitswesen durchzusetzen und das öffentliche Rentensystem zu verwässern, so dass die Schaffenden in Zukunft für weniger Rente länger arbeiten sollen, sind Ausdruck dieser Entwicklung. Damit einhergehen soll eine weitaus größere Umverteilung von unten nach oben als bisher, während Milliarden für die Aufrüstung verpulvert werden.
Wo Kapital und Regierung nicht mehr bereit sind, mit den Schaffenden zu reden, geschweige denn zu verhandeln, sondern diktieren und ganz offen Klassenkampf von oben betreiben, ist es notwendig mit gleicher Münze zurückzuzahlen.
Mag sein, dass wir in Luxemburg noch ein gutes Stück davon entfernt sind, und es immer noch massive Versuche gibt, die Klassenwidersprüche auszublenden.
Aber die Schaffung der Gewerkschaftsfront, selbst wenn sie erst am Anfang steht, bietet erstmals die Perspektive, dass die Einheit der Lohnabhängigen gestärkt und vielleicht sogar auf die Schaffenden im öffentlichen Dienst ausgeweitet werden kann, so dass Umverteilungspläne von Regierung und Kapital scheitern könnten.
Wir alle sind gefordert – am 1. Mai, am 28. Juni und darüber hinaus!