Ausland07. Dezember 2024

Italiens Nazis machen mobil

»Werwolf Division« wollte angeblich faschistische Ministerpräsidentin Meloni ermorden. Hintergründe sind unklar

von Gerhard Feldbauer

Laut einem Bericht der Nachrichtgenagentur »ANSA wollten neonazistische Gruppen einer »Ersten Werwolf Division« und einer »Divisione Nuova Alba« (Neue Morgendämmerung) Italiens faschistische Ministerprädentin Georgia Meloni ermorden. Das sei bei einer Blitzaktion der Polizei von Bologna ans Licht gekommen, bei der zwölf Neonazis festgenommen wurden. Bei weiteren 13 Personen wurden die Wohnungen durchsucht, dabei wurden Schußwaffen, Messer und rechte Propaganda sichergestellt (die »Zeitung« berichtete in ihrer Donnerstag-Ausgabe).

Die Namenswahl bezieht sich offensichtlich auf die Bezeichnung »Wehrwölfe«, Gruppen von bewaffneten Untergrundkriegern, die von der SS ausgebildet und bewaffnet wurden, um in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges und auch noch nach der militärischen Niederschlagung des »Dritten Reiches« Angriffe und Anschläge gegen die Einheiten der Armeen der Anti-Hitler-Koalition ausführen sollten. Sie bestanden zumeist aus fanatischen Angehörigen der Hitlerjugend und der SS.

Den Festgenommenen werde zur Last gelegt, einer Vereinigung zu terroristischen Zwecken anzugehören. Unter den Verdächtigen befinde sich ein »Kommandeur«, Daniele Trevisani, ein Herausgeber von Propagandaschriften, Andrea Ziosi und der »Ausbilder« Salvatore Nicotra. Laut Ermittlern handle es sich um eine »organisierte Zelle«, die sich bereits in der Einsatzphase befand und in der Lage war, subversive Handlungen durchzuführen, für die sogenannte Einzelkämpfer – sowohl Rassisten als auch Dschihadisten – rekrutiert worden waren.

Die Gruppe wird beschuldigt, die »Vorbereitung schwerwiegender Angriffe«, unter anderem gegen Premierministerin Giorgia Meloni und einen Ökonomen des Weltwirtschaftsforums, Klaus Schwab, vorbereitet zu haben. Auch von Angriffen auf den Palazzo Chigi und den Montecitorio – Regierungssitz bzw. Parlamentsgebäude – sei die Rede gewesen.

Aus dem abgehörten Dialog eines Verdächtigen sei hervorgegangen, daß er fünf Personen ausgebildet habe, die die Premierministerin erschießen sollten. Als Vorbild hätten der Gruppe Terroristen der »Nuclei Armati Rivoluzionari« (Bewaffnete revolutionäre Kerne) gedient, eine in den 70er und 80er Jahren aktive italienische neofaschistische bewaffnete Organisation. Die Ermittlungen gehen auf eine Untersuchung der Staatsanwaltschaft von Neapel zurück, bei der gerade ein Prozeß gegen den »Orden von Hagal«, einen Ableger der »Werwolf Division«, abgeschlossen wurde.

In dem Bericht von ANSA gibt es keine Hinweise darauf, warum Giorgia Meloni als Anschlagsopfer ausgewählt worden sein soll – eine Politikerin, die sich mit ihrer Partei Brüder Italiens (FdI) nicht nur zum Erbe des Mussolini-Faschismus bekennt, sondern, wie das kommunistische Magazin »Cotropiano« vermerkt, tatenlos den faschistischen Umtrieben zuschaut, in die Vertreter der Jugendorganisation ihrer Partei verwickelt sind.

So unternahmen Schlägertrupps der Jugendbewegung »Azione Studentesca« ihrer Partei im Februar 2023 einen brutalen Überfall auf Schüler des Michelangelo-Gymnasiums in Florenz, bei dem ein Schüler minutenlang schwer mißhandelt wurde. Die »Straßenfaschisten« hatten sich durch die Regierung, in der sie sich vertreten sehen, »ermuntert« gefühlt, kommentierte »Contropiano«, das auch darauf verweist, daß bereits im Mai 2023 die Staatsanwaltschaft in Neapel darauf gestoßen sei, daß die jetzt Verdächtigten in Bologna ein Telegram-Netzwerk zur Vorbereitung »gewalttätiger subversiver Akte« gegen Gedenken an den faschistischen Völkermord an den Juden betrieben.

Um Proteste gegen faschistische Umtriebe an Schulen und Universitäten zu unterdrücken und »Zucht und Ordnung« durchzusetzen, scheute sich Meloni nicht, ein altes Mussolini-Gesetz wieder einzuführen, das Kinder und Jugendliche einer strengen Kontrolle unterwirft. Wer durch »Ungehorsam« auffällt, kann sitzen bleiben – unabhängig davon, wie die Noten ausfallen. »Wir wollen damit die Kultur des Respekts in die Schulen zurückbringen«, hatte die faschistische Regierungschefin erklärt.

Und wenn Meloni, um nur ein Beispiel zu nennen, Isabelle Rauti, die Tochter von Pino Rauti, als Staatssekretärin ins Kriegsministerium holte, war das nachgerade eine Ermunterung für die jetzt bekannt gewordenen faschistischen Gruppen der »Werwolf-Division«. Denn Pino Rauti war der Terrormanager der Mussolini-Nachfolgepartei Movimento Sociale italiano (MSI), in der Meloni die »Jugendfront« angeführt hatte und aus dem ihre Partei FdI hervorging. Rauti war zudem Gründer der faschistischen Terrorgruppe »Ordine Nuovo«, die für das Massaker an der Piazza Fontana in Mailand im Dezember 1969 mit 17 Toten und über 100 Verletzten verantwortlich war. Das wirft Fragen auf, was es mit der jetzigen Aufdeckung der »Werwölfe« tatsächlich auf sich hat.