Ausland25. Juni 2025

Der »regelbasierte« Krieg des Westens gegen den Iran

Der Iran verteidigt sich gegen den von Israel und den USA aufgezwungenen Krieg und zeigt diplomatische Stärke. Eine Chronologie

von Karin Leukefeld, Beirut

Sonntag, 22.6.2025

»Letzte Woche verhandelten wir mit den USA, als Israel beschloß, diese Diplomatie zu sprengen. Diese Woche sprachen wir mit den E3/EU, als die USA beschlossen, diese Diplomatie zu sprengen. Welchen Schluß würden Sie daraus ziehen?« Das schrieb der iranische Außenminister Abbas Araghchi am Sonntagmorgen auf X. Britannien und die EU-Kommission hatten vom Iran gefordert, »an den Verhandlungstisch zurückkehren«, aber, so Araghchi weiter: »Wie soll der Iran zu etwas zurückkehren, das er nie verlassen, geschweige denn gesprengt hat?«

Wenige Stunden zuvor hatten die USA mit einem medial hochprofessionell inszenierten Angriff auf nukleare Einrichtungen im Iran nicht nur die UNO-Charta und damit allgemein internationales Recht, sondern auch den Nicht-Verbreitungsvertrag von Nuklearwaffen (NPT-Vertrag) und die Genfer Konvention gesprengt. Der israelische Ministerpräsident, der mit internationalem Haftbefehl wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und das humanitäre Völkerrecht gegen die Palästinenser gesuchte Benjamin Netanjahu, hatte schon vor dem Angriff der USA seine Dankesbotschaft an Präsident Donald Trump auf ein Video gesprochen.

USA-Präsident Donald Trump trat in der Nacht zum Sonntag im Weißen Haus in Washington vor die Kameras, bedankte sich und beglückwünschte den israelischen Ministerpräsidenten »Bibi Netanjahu«. »Wir haben als Team gearbeitet. Vielleicht hat noch niemals ein Team so zusammengearbeitet«, so Trump, der noch eine Woche zuvor betont hatte, nichts mit dem Angriff Israels gegen den Iran zu tun zu haben. Zusammen hätten sie »einen langen Weg zurückgelegt, um diese schreckliche Bedrohung für Israel zu beseitigen«. Der Iran sei »der Tyrann im Mittleren Osten und muß jetzt Frieden schließen. Wenn er das nicht tut, werden zukünftige Angriffe noch sehr viel stärker und einfacher sein.«

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte, »Der Iran darf nie die Bombe bekommen«, Respekt für das internationalen Recht sei »entscheidend«, jetzt müsse der Iran sich »für eine glaubwürdige diplomatische Lösung engagieren«, so von der Leyen auf X.

Der britische Premierminister Keir Starmer erklärte für die sogenannten »E3« (Deutschland, Frankreich, Britannien), man habe »die jüngsten Entwicklungen im Mittleren Osten heute Morgen« diskutiert und wiederhole die Verpflichtung »für Frieden und Stabilität für alle Staaten der Region«. »Wir bekräftigen unsere Unterstützung für die Sicherheit Israels«“. Der Iran dürfe »nicht länger eine Bedrohung für die regionale Stabilität sein«.

Bezugnehmend auf die Angriffe der USA auf die iranischen Nuklearanlagen Fordo, Natans und Isfahan hieß es weiter: »Unser Ziel wird weiterhin sein dafür zu sorgen, daß der Iran keine Nuklearwaffe bekommt.« Der Iran müsse ein »für alle Seiten annehmbares Abkommen verhandeln« und dürfe »keine weiteren Aktionen unternehmen, die die Region destabilisieren« könnten.

Freitag, 20.06.2025

Am Freitag hatten sich die Außenminister der »E3« und die EU-Außenbeauftragte mit dem iranischen Außenminister Abbas Araghchi in Genf getroffen. Araghchi hatte dort vor dem UNO-Menschenrechtsrat in Genf gesprochen und die Verurteilung des israelischen Krieges gegen sein Land gefordert. Am Nachmittag war Araghchi mit den Außenministern der sogenannten E3 und der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas zu einem mehrstündigen Gespräch zusammengetroffen. Bei einer anschließenden Erklärung vor der Presse sagte Araghchi, der Iran sei von Israel angegriffen worden und nehme sein international verbrieftes Recht auf Verteidigung wahr. Verhandlungen seien möglich, wenn Israel seine Angriffe einstelle. Die militärischen Möglichkeiten des Iran, seine Interessen und das iranische Volk zu verteidigen, seien nicht verhandelbar.

Die westlichen Vertreter hatten erklärt, der Iran dürfe niemals eine Atomwaffe besitzen und müsse »an den Verhandlungstisch mit den USA zurückkehren«. Zusätzlich forderten die E3, daß der Iran sein Raketenprogramm einstellen müsse.

Am Tag zuvor hatte der bekannte US-amerikanische Journalist Seymour Hersh unter dem Titel »Was man mir gesagt hat, was auf den Iran zukommt«, einen »ursprünglichen Schlachtplan für einen neuen Krieg« veröffentlicht. Noch am Wochenende würden die USA mit B2-Bombern und mit bunkerbrechenden Bomben die Nuklearanlagen im Iran angreifen, so Hersh. Er nannte als Quellen für seinen Bericht »israelische Insider« und »amerikanische Offizielle«. Altgediente Offizielle hätten bestätigt, daß »alles unter Kontrolle gebracht« werde, sobald der oberste iranische Revolutionsführer Ali Khamenei »verschwunden« sei.

Während Araghchi mit den drei westeuropäischen Außenministern zusammensaß, wurden erste Nachrichten über den Flugbefehl für B2-Bomber in den USA verbreitet. Die Medien stellten das teuerste Kampfflugzeuge der Welt des US-amerikanischen Herstellers Northrop Grumman, den Tarnkappenbomber B2 zum Stückpreis von rund 737 Millionen US-Dollar (laut Angaben aus dem Jahr 1997) ausgiebig in Print, Funk und Fernsehen vor.

Samstag, 21.6.2025

Der iranische Außenminister reiste von Genf nach Istanbul, wo am Wochenende die Außenministerkonferenz der 54 islamischen und arabischen Staaten, der Organization of Islamic Cooperation (OIC) stattfand. Der Unterstützung der arabischen und islamischen Staaten ist dem Iran sicher. Die Außenminister der Arabischen Liga erklärten bereits am Vorabend der OIC-Sitzung, daß der vom Iran nicht provozierte Angriff Israels sofort beendet und das internationale Recht, die UNO-Charta und der NPT-Vertrag eingehalten werden müßten. Am Samstag traf Araghchi mit zahlreichen Außenministern der islamischen Staaten zusammen. Unter Leitung des türkischen Präsidenten Recep Tayyib Erdogan fand ein gesondertes Treffen zur Lage im Iran statt, bei dem sowohl Erdogan als auch weitere Staaten ihre Bereitschaft erklärten, als Vermittler für den Iran aktiv werden zu wollen.

Der Iran sei der OIC dankbar für die umfassende und einstimmige Unterstützung angesichts der israelischen Aggression, erkläre Araghchi. »Während der Westen angesichts der israelischen Grausamkeiten – nicht nur gegen den Iran, sondern gegen Muslime in der ganzen Region – wegsieht, gibt es beispiellosen Zorn und breite Solidarität in der islamischen Welt. Der Westen sollte das zur Kenntnis nehmen, er hat seinen moralischen Kompaß komplett verloren.«

Sonntag, 22.6.2025

Nach dem Angriff der USA auf drei nukleare Anlagen im Iran in der Nacht zum Sonntag bezeichnete Araghchi in einer kurzen Erklärung auf X die Attacken als »ungeheuerlich« und warnte vor »dauerhaften Folgen«. »Letzte Woche verhandelten wir mit den USA, als Israel beschloß, diese Diplomatie zu sprengen. Diese Woche sprachen wir mit den E3/EU, als die USA beschlossen, diese Diplomatie zu sprengen.«

Bei einer Pressekonferenz am Sonntagmorgen in Istanbul erklärte Araghchi, der Iran fordere eine Dringlichkeitssitzung des UNO-Sicherheitsrates, »um unmißverständlich das kriminelle Verhalten der Vereinigten Staaten gegen den Iran zu verurteilen« und die USA »für diese ungeheuerliche Mißachtung internationalen Rechts und der Grundprinzipien der UNO-Charta« zur Verantwortung zu ziehen.

Er werde nach Moskau weiterreisen und mit dem russischen Präsidenten Putin zusammentreffen, teilte Araghchi mit. Rußland und China hätten eine Resolution für den UNO-Sicherheitsrat vorbereitet, die angesichts der jüngsten Eskalation gegen den Iran neu beraten werde.

Bei einer Dringlichkeitssitzung des UNO-Sicherheitsrates am Sonntag (Ortszeit New York) erklärte der russische Botschafter Wassili Nebensja, das Gremium habe erst am vorherigen Freitag deutlich zur Deeskalation und einer Verhandlungslösung aufgerufen, doch die USA hätten die Position der gesamten internationalen Gemeinschaft ignoriert und sich »von Israel leiten lassen, anstatt es in die Schranken zu weisen und zu zwingen, die Eskalationsspirale zu stoppen«. Rußland, China und Pakistan hätten einen »genauen und ausgewogenen Resolutionsentwurf des UNO-Sicherheitsrates ausgearbeitet und in Umlauf gebracht, in dem ein sofortiger und bedingungsloser Waffenstillstand und die Suche nach einer diplomatischen Lösung für das iranische Atomprogramm gefordert werden.«

Um eine weitere Eskalation zu vermeiden, sei eine »klare und prinzipielle Haltung des Rates unausweichlich«, so der russische Botschafter. Alle Mitglieder des Sicherheitsrates sollten »verantwortungsvoll« handeln und den Resolutionsentwurf unterstützen.

Montag, 23.6.2025

Fernsehaufnahmen der kleinen Gesprächsrunde zwischen dem iranischen Außenminister Araghchi und Rußlands Präsident Putin im Kreml zeigten am Montag ernste Gesichter. Der russische Präsident wurde von Außenminister Sergej Lawrow begleitet. Putin versicherte Araghchi, die »nicht provozierte Aggression« Israels und der USA gegen den Iran sei »grundlos« und »nicht gerechtfertigt«, die Angriffe seien »illegitim« und verstießen gegen internationales Recht, berichtete der Sender Russia Today, der in der EU verboten ist. Gemeinsam werde man »die drängenden Fragen erörtern und über einen Ausweg aus der derzeitigen Situation nachdenken«, wurde Putin zitiert. Araghchi erklärte, der Iran greife Ziele in Israel an, weil es seine Souveränität gegen die israelischen Angriffe verteidige, das sei sein Recht.

Am Montagabend wurde gemeldet, daß die Iranische Armee gemeinsam mit den Iranischen Revolutionsgarden Raketenangriffe auf US-amerikanische Militärbasen in der Region ausgeführt hätten. Der Nachrichtensender Al Jazeera berichtete von Angriffen auf die Basis Al Udeid in Katar, die größte Militärbasis der USA in der Region. Auch Militärbasen in den Vereinigten Arabischen Emiraten, in Bahrain, Kuwait, Irak und in Syrien wurden genannt. Seit Mitternacht wurden keine weiteren iranischen Raketenangriffe gemeldet. Die betroffenen Staaten und möglicherweise auch die USA-Streitkräfte waren offenbar zuvor über die bevorstehenden Angriffe informiert worden, der Luftraum wurde gesperrt.

Dienstag, 24.6.2025

USA-Präsident verkündet auf seinem eigenen Nachrichtenkanal einen »kompletten und totalen Waffenstillstand«, der angeblich zwischen Israel und dem Iran vereinbart («fully agreed«) worden sei. Die Welt werde das »offizielle Ende des Zwölf-Tage-Krieges« begrüßen, schreibt er.