Ausland09. April 2019

Bekenntnis zum Sozialismus

Am 150. Jahrestag der ersten kubanischen Republik wird in der Nationalversammlung die neue Verfassung Kubas proklamiert

Die 614 Abgeordneten der kubanischen Nationalversammlung wollen am heutigen Mittwoch auf einer außerordentlichen Parlamentssitzung im Kongreßpalast von Havanna die neue Verfassung der Republik Kuba proklamieren. Die Parlamentarier setzen damit ein neues Regelwerk in Kraft, das von der kubanischen Bevölkerung in einem Referendum am 24. Februar mit 86,8 Prozent der abgegebenen Stimmen angenommen worden war.

Nachdem die neue Verfassung im Gesetzesblatt »Gaceta Oficial de la República de Cuba« veröffentlicht ist, müssen eine Reihe neuer Gesetze und Regelungen erarbeitet werden, die den neuen Bestimmungen entsprechen. Dazu gehört auch ein neues Wahlgesetz, das die Neuwahl des Staatsrates einschließlich der Wahl des Präsidenten und eines Premierministers regelt. Auf der Agenda steht auch ein neues Familiengesetz, über das abschließend ebenfalls in einer Volksabstimmung entschieden werden soll. Als Zeitraum für die Anpassung sind Fristen zwischen sechs und 24 Monaten vorgesehen.

Die neue Verfassung definiert Kuba als »unabhängigen und souveränen Rechtsstaat«, der auf der Grundlage von sozialer Gleichheit und Gerechtigkeit das Wohlergehen und die freie persönliche Entwicklung seiner Bürgerinnen und Bürger zum Ziel hat. Sie soll »die Unwiderruflichkeit des sozialistischen Projektes« gewährleisten und erweitert die Rechte und Ansprüche der Kubaner. Mit Annahme der neuen Verfassung entschied sich die Mehrheit der Bevölkerung auch für die Präambel, in der es heißt: »Nur im Sozialismus und Kommunismus kann der Mensch zu voller Würde gelangen«. Im Artikel 5 wird die sozialistische und kommunistische Gesellschaft als Staatsziel definiert.

Daneben enthält Kubas neue Verfassung Bestimmungen wie das Recht auf Arbeit und bezahlbaren Wohnraum, die Verpflichtung des Staates zum Schutz der Umwelt und zur Reduzierung des Klimawandels wie auch das Verbot jedweder rassistischen oder diskriminierenden Handlung. Artikel 16 untersagt eine direkte oder indirekte Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten. Krieg oder Angriff anderer Länder sind als internationale Verbrechen und Verstoß gegen das Völkerrecht verboten. Auch die Entwicklung, Stationierung oder Lagerung von Nuklear- oder anderen Massenvernichtungswaffen werden geächtet.

Nachdem es die neue Verfassung offiziell proklamiert hat, wird sich das kubanische Parlament am Samstag – in einer weiteren außerordentlichen Sitzung – mit einer Zwischenbilanz des Mitte 2017 von den Abgeordneten der Nationalversammlung beschlossenen »Nationalen Plans zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung bis zum Jahr 2030« beschäftigen. Laut Vorgabe soll der 251 Einzelpunkte umfassende Entwicklungsplan Maßnahmen konzipieren, um wirtschaftliche Defizite zu beheben und Lücken zwischen dem Anspruch und der Realität des Systems zu schließen ohne das Kind mit dem Bade auszuschütten.

So wird im Plan die »Beibehaltung und Festigung der entscheidenden Rolle des gesellschaftlichen Eigentums an den Produktionsmitteln« hervorgehoben, zugleich aber die Anerkennung und der Ausbau »verschiedener Formen des Eigentums und des Wirtschaftens« empfohlen, sofern diese »miteinander verbunden« sind. Dieser Punkt ist mittlerweile in der neuen Verfassung verankert.

Neben wirtschaftlichen und sozialen Zukunftsmodellen gehören auch die Entwicklung der Sozialsysteme, die Verbesserung der Einkommens- und Rentensituation, der verstärkte Ausbau erneuerbarer Energiequellen, die Förderung der Agrarwirtschaft, Beteiligung von mehr Bürgern an politischen Prozessen und eine Veränderung der Medienlandschaft zur Aufgabenstellung des Plans. Am Donnerstag und Freitag werden die dafür eingerichteten ständigen parlamentarischen Ausschüsse den Stand der Umsetzung analysieren und die Ergebnisse dann am Samstag dem Plenum der Nationalversammlung zur Beratung vorlegen.

Die Termine des Referendums wie auch der Proklamation von Kubas neuer Verfassung knüpfen an die revolutionäre Tradition des kubanischen Befreiungskampfes an und sollen den Anspruch der künftigen »Magna Charta« unterstreichen, die Unabhängigkeit des Landes zu garantieren.

Während der Volksentscheid am Jahrestag des 1895 begonnenen zweiten Unabhängigkeitskrieges gegen die spanische Kolonialherrschaft stattfand, wird am heutigen Mittwoch die Gründung der ersten kubanischen Republik, der »Republik in Waffen« gefeiert. Am 10. April 1869 verabschiedeten die Mambí-Rebellen, die für ein von spanischer Herrschaft befreites Kuba kämpften, die »Verfassung von Guáimaro«, in der die Sklaverei abgeschafft und der Kampf für die Unabhängigkeit verankert wurde. Sie war die erste Verfassung in der Geschichte des Landes. Genau 150 Jahre später verkündet das Parlament in Havanna am Mittwoch die neue Verfassung der Republik Kuba.

Volker Hermsdorf, Havanna

Kubas Nationalversammlung verkündet am heutigen Mittwoch die neue Verfassung
(Archivfoto: ACN/EFE/EPA)