Wirecard-Skandal: Musterklägeranwalt steigt aus
Im derzeit im süddeutschen München stattfindenden Wirecard-Musterverfahren um die Schadenersatzansprüche Zehntausender Aktionäre geht es weiter turbulent zu: Musterklägeranwalt Peter Mattil hat sein Mandat niedergelegt, teilte er mit. Grund sind offenbar Meinungsverschiedenheiten mit einem zweiten Musterklägeranwalt. Die Strategien beider Kanzleien seien »nicht kompatibel«, schrieb Mattil in seiner kurzen Mitteilung am Mittwoch.
Das Musterverfahren vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht soll grundsätzlich klären, ob die Wirecard-Aktionäre Schadenersatzansprüche haben. Hauptsächliche Zielscheibe der Klagen ist die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young, die die Bilanzen des 2020 kollabierten Dax-Konzerns testierte. Beim früheren Wirecard-Chef Markus Braun und anderen ehemaligen Managern des insolventen Zahlungsdienstleisters ist nach allgemeiner Einschätzung nicht mehr viel zu holen.
Als Musterkläger ausgesucht hat der 1. Zivilsenat des Gerichts einen Bankkaufmann aus Hessen, der mit Wirecard-Papieren eine halbe Million Euro verloren hat. Auf Schadenersatz geklagt hatten Ende vergangenen Jahres fast 8.700 Anleger, weitere 19.000 haben Ansprüche angemeldet, ohne selbst zu klagen.
Doch in dem Musterverfahren war von Beginn an offensichtlich, daß es Meinungsverschiedenheiten zwischen beteiligten Anwälten gab. Abgesehen davon, hatte das Bayerische Oberste Landesgericht im Februar die Hoffnungen der Aktionäre gedämpft: In einer ersten Teilentscheidung hieß es, daß im Kapitalanlegermusterverfahren keine Schadenersatzansprüche gegen Ernst & Young vorgebracht werden könnten. Jedoch hatte der Senat ausdrücklich darauf verwiesen, daß die Aktionäre ihre Forderungen in separaten Gerichtsverfahren geltend machen könnten.
Das Musterverfahren läuft parallel zum Wirecard-Strafprozeß, in dem sich der seit bald fünf Jahren in Untersuchungshaft sitzende Braun und zwei Mitangeklagte seit Ende 2022 wegen Bandenbetrugs und anderer Vorwürfe verantworten müssen.