Ausland08. Juli 2023

Auslands-Nachrichten

von dpa/ZLV

Massive Aufrüstung bei der NATO

Die Militärausgaben der europäischen NATO-Staaten und Kanadas entwickeln sich nach Einschätzung von Generalsekretär Jens Stoltenberg »in die richtige Richtung«. In diesem Jahr liege der Zuwachs in den Ländern nach jüngsten Schätzungen bei 8,3 Prozent, sagte er am Freitag bei einer Pressekonferenz zum bevorstehenden Gipfeltreffen der Alliierten in Litauen. Dies sei der größte Anstieg seit Jahrzehnten und das neunte Plus in Folge.

Als Grund für diese Entwicklung muß erneut »Rußlands Angriffskrieg gegen die Ukraine« herhalten. Er habe »die Sicherheitslage in Europa fundamental verändert« und erfordere »zusätzliche Abschreckung gegen Rußland«. Insgesamt sind nach NATO-Angaben aus Europa und Kanada seit der Verkündung des sogenannten »Zwei-Prozent-Ziels« im Jahr 2014 mehr als 450 Milliarden US-Dollar zusätzliche (!) Ausgaben gemeldet worden, das sind 414 Milliarden Euro aus Steuergeldern, die für Rüstung und Krieg verpulvert werden.

Das »Zwei-Prozent-Ziel« erreichen oder übertreffen werden in diesem Jahr voraussichtlich elf Mitgliedstaaten – nach sieben im Vorjahr. Neben den USA sind das Britannien, Finnland, Griechenland, Ungarn, Polen, Litauen, Estland, Lettland, Rumänien und die Slowakei.

Mediziner im Streik

Medizinisches Personal im nordportugiesischen Porto hat am Donnerstag einen zweitägigen Streik begonnen. An einer Kundgebung vor dem Centro Hospitalar Univeristário São João nahmen über 100 Mediziner teil. Eine Delegation der Portugiesischen Kommunistischen Partei (PCP) bekräftigte ihre Solidarität und Unterstützung für den Kampf zur Verteidigung des Nationalen Gesundheitsdienstes, für menschenwürdige Arbeitsbedingungen, die berufliche Eingliederung aller Fachkräfte und eine angemessene Entlohnung.

Yellen traf Chinas Premier

USA-Finanzministerin Janet Yellen ist in Peking mit dem chinesischen Premier Li Qiang zu Gesprächen zusammengekommen. Dabei sagte sie, daß man gegenüber China einen »gesunden wirtschaftlichen Wettbewerb« anstrebe. Gleichzeitig betonte Yellen auch, daß die USA und China »unter bestimmten Umständen gezielte Maßnahmen« ergreifen müßten, um »ihre nationale Sicherheit zu schützen«. Meinungsverschiedenheiten dürften jedoch »nicht zu Mißverständnissen führen, die unsere bilateralen Wirtschafts- und Finanzbeziehungen unnötig verschlechtern«. Zuvor hatte die Finanzministerin im Laufe des Tages informelle Gespräche mit dem ehemaligen Vizepremier Liu He und Chinas Zentralbankchef Yi Gang geführt. Janet Yellen befindet sich auf einem viertägigen China-Besuch, der auch dazu dienen soll, die Kommunikationskanäle zwischen den zwei Staaten wieder stärker zu nutzen.

NATO-Generalsekretär für Streumunition an die Ukraine

Deutsche Bundesregierung signalisiert »Verständnis«. NATO schnürt »Gipfelpaket« für die Ukraine

Brüssel/Berlin – NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat »Verständnis« für die Überlegungen der USA signalisiert, der Ukraine Streumunition zu liefern. Er behauptete am Freitag in Brüssel, daß auch Rußland Streumunition einsetze, allerdings nicht im Rahmen der Selbstverteidigung, sondern »um in die Ukraine einzudringen«.

Stoltenberg machte zugleich deutlich, daß die NATO keine gemeinsame Position zum Thema hat, weil ein Teil der NATO-Staaten einen Vertrag zur Ächtung von Streumunition unterschrieben hat, ein andere Teil aber nicht. »Es ist Sache der einzelnen Verbündeten, Beschlüsse über die Lieferung von Waffen und militärischen Gütern in die Ukraine zu fassen«, sagte er.

Nach den Berichten über eine mögliche Lieferung von Streumunition aus den USA an die Ukraine hat die deutsche Bundesregierung zwar darauf hingewiesen, daß Deutschland dem internationalen Abkommen zur Ächtung dieser Munition beigetreten ist. Gleichzeitig signalisierte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Freitag aber Verständnis für eine Lieferung durch die USA, die wie die Ukraine den Vertrag nicht unterzeichnet haben. »Wir sind uns sicher, daß sich unsere US-Freunde die Entscheidung über eine Lieferung entsprechender Munition nicht leicht gemacht haben«, sagte er.

Die Streumunition würde von der Ukraine in »einer besonderen Konstellation« verwendet. »Die Ukraine setzt eine Munition zum Schutz der eigenen Zivilbevölkerung ein. Es geht um einen Einsatz durch die eigene Regierung zur Befreiung des eigenen Territoriums«, sagte Hebestreit.

Die »New York Times« und andere Medien haben unter Berufung auf Regierungsquellen berichtet, daß die USA-Regierung die Lieferung von Streumunition an die Ukraine plant. Das Pentagon wollte dies aber zunächst nicht bestätigen. Dem Sender CNN zufolge könnten die Pläne nun an diesem Freitag offiziell verkündet werden.

Die Nato bereitet für den bevorstehenden Gipfel in Litauen ein umfassendes Unterstützungspaket für die Ukraine vor. Nach Angaben von Generalsekretär Jens Stoltenberg wird in Vilnius ein mehrjähriges Programm vereinbart werden, um künftig eine »reibungslose Zusammenarbeit« zwischen den Streitkräften der Ukraine und der NATO-Länder zu ermöglichen. Zudem soll das bereits 2008 gegebene Versprechen erneuert werden, daß die Ukraine Mitglied der NATO werden kann. Bis dahin ist geplant, die politischen Beziehungen über die Schaffung eines neuen NATO-Ukraine-Rates zu vertiefen.

Um die »Abschreckung und Verteidigung der NATO« zu stärken, sind nach Angaben von Stoltenberg neue »regionale Verteidigungspläne« vorgesehen. Um diese umsetzen zu können, sollen künftig bündnisweit rund 300.000 Soldatinnen und Soldaten in hoher Einsatzbereitschaft gehalten werden.

Selenski wieder auf Tournee

Waffengeschenke aus Prag

Bratislava/Prag – Auf einem Zwischenstopp zwischen Tschechien und der Türkei hat sich der ukrainische Präsident Selenski am Freitag weiterer Unterstützung durch die Slowakei versichert. Seine slowakische Amtskollegin und Gastgeberin Zuzana Čaputová wollte zwar mit Blick auf den anstehenden NATO-Gipfel in Vilnius keine unrealistischen Hoffnungen auf einen raschen NATO-Beitritt der Ukraine wecken, betonte aber vor Journalisten in Bratislava: »Die Frage ist nicht ob, sondern wann die Ukraine Mitglied wird.«

Selenski erklärte erneut, daß die Ukraine »nicht nur sich selbst, sondern ganz Europa gegen Rußland«. Čaputová sagte, es sei daher »das volle Recht« der Ukraine, vom Westen militärische Unterstützung »für ihren Abwehrkampf gegen den russischen Angriff« zu erwarten. »Wir haben alle Unterstützung gegeben, die wir geben konnten«, beteuerte die Präsidentin.

In der slowakischen Bevölkerung sind die Waffenlieferungen angesichts steigender Armut im Inland und einer der höchsten Inflationsraten der Eurozone unbeliebt. Die Regierung macht dafür »von Rußland gesteuerte Desinformation« verantwortlich.

Tschechien schenkt der Ukraine weitere Kampfhubschrauber aus seinen Beständen, sagte der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala nach einem Treffen mit Selenski am Freitag in Prag. Die erste Lieferung von Mil-Mi-24-Hubschraubern war bereits vor einem Jahr erfolgt. Zudem werde man über die kommenden Monate weitere Hunderttausende Patronen großkalibriger Munition zur Verfügung stellen, kündigte Fiala an.

Tschechien werde sich zudem an der Ausbildung ukrainischer Piloten für westliche F-16-Kampfflugzeuge beteiligen, indem man Flugsimulatoren bereitstelle. Vertreter beider Seiten unterzeichneten ein Memorandum über eine künftige gemeinsame Rüstungsproduktion von tschechischen und ukrainischen Firmen.

Am Freitag wurde Selenski zudem in der Türkei erwartet. Er werde sich mit dem türkischen Präsidenten Erdogan in Istanbul treffen, meldete die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu.

Palästinenser bei Razzia in Nablus getötet

UNO-Generalsekretär verurteilt Israels Angriffe im Westjordanland

Ramallah/New York – Bei einem Angriff Israels in der Stadt Nablus im besetzten Westjordanland sind zwei Palästinenser getötet worden. Sie wurden bei einer Razzia von israelischen Soldaten erschossen, berichtete das palästinensische Gesundheitsministerium in Ramallah am Freitag. Das israelischen Militär erklärte, beide Männer würden verdächtigt, vor wenigen Tagen auf ein Polizeiauto nahe einer israelischen Siedlung geschossen zu haben. Bei ihrer versuchten Festnahme sei es »zu einem Schußwechsel gekommen«.

Insgesamt kamen in diesem Jahr bereits 155 Palästinenser bei israelischen »Militäreinsätzen« ums Leben, darunter auch viele Zivilisten. Im gleichen Zeitraum wurden 23 Israelis, eine Ukrainerin und ein Italiener bei Anschlägen getötet.

UNO-Generalsekretär António Guterres hat Israels jüngste Angriffe im Westjordanland scharf kritisiert. »Israels Luftschläge und Bodenoperationen in einem eng besiedelten Flüchtlingscamp stellen die schlimmste Gewalttätigkeit im Westjordanland seit vielen Jahren dar«, sagte Guterres am Donnerstag in New York mit Blick auf die Angriffe in Dschenin. Mehr als 100 Menschen seien verletzt und Tausende seien zur Flucht gezwungen worden, sagte Guterres.

Schweiz und Österreich beteiligen sich an Rüstungsprojekt

Bern – Die neutralen Staaten Schweiz und Österreich wollen bei dem von Deutschland initiierten europäischen Luftverteidigungssystem »Sky Shield« mitmachen. Die Armeeministerinnen Viola Amherd für die Schweiz und Klaudia Tanner für Österreich unterzeichneten am Freitag in Bern eine entsprechende Absichtserklärung bei einem Treffen mit ihrem aus Berlin angereisten Amtskollegen Boris Pistorius. Damit sind nun 19 Staaten an dem Projekt beteiligt.

Das Projekt »Essi« (European Sky Shield Initiative) soll helfen, Lücken im »NATO-Schutzschirm für Europa« zu schließen und damit angeblich eine »Antwort auf die veränderte Sicherheitslage nach dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine« geben. Zu dem Projekt gehört auch der von Deutschland erwünschte Kauf des weitreichenden israelischen Systems Arrow 3. Defizite gibt derzeit bei der Abwehr ballistischer Raketen, die auf ihrer Flugbahn große Höhen erreichen, aber auch bei der Bekämpfung von Drohnen und Marschflugkörpern.

Die Regierungen Österreichs und der Schweiz sehen in der Beteiligung an dem Projekt, das auch eine vertiefte Zusammenarbeit mit europäischen NATO-Staaten bedeutet, keine Abkehr von ihrer Neutralität. Es gehe um Kooperationen in der Ausbildung, im Unterhalt und in der Logistik, wurde erklärt. »Unsere neutralitätsrechtlichen Vorbehalte haben wir zusammen mit Österreich in einer Zusatzerklärung festgehalten, um zum Beispiel jegliche Teilnahme oder Mitwirkung an internationalen militärischen Konflikten explizit auszuschließen«, sagte Viola Amherd für die Schweiz.

EU-Millionen für Produktion von Munition und Raketen

Brüssel – Die ukrainischen Streitkräfte können langfristig auf deutlich mehr Munitions- und Raketenlieferungen aus der EU hoffen. Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten und des EU-Parlaments einigten sich in der Nacht zum Freitag auf einen Plan, mit dem die Rüstungsindustrie der EU mit »finanziellen Anreizen« zu einem schnellen Ausbau der Produktionskapazitäten bewegt werden soll. Er war im Mai von der EU-Kommission vorgeschlagen worden und sieht Ausgaben in Höhe von 500 Millionen Euro aus dem EU-Haushalt vor.

Die Vereinbarung sei ein weiterer Beleg für »das unermüdliche Engagement der EU, die Ukraine zu unterstützen«, kommentierte die spanische Kriegsministerin Margarita Robles für den derzeitigen EU-Ratsvorsitz. Zudem demonstriere sie auch »den Einsatz für die Stärkung der verteidigungstechnologischen und industriellen Basis der EU« und gewährleiste die »langfristige Sicherheit und Verteidigung der EU-Bürger«.

Grund für das Ankurbeln der Rüstung mit Steuergeldern sind Schwierigkeiten der EU-Staaten, der Ukraine ausreichend Boden-Boden- und Artilleriemunition sowie Raketen zu liefern. Ein Ausbau der Produktion soll nun weitere Engpässe der ukrainischen Streitkräfte verhindern und auch dafür sorgen, daß die EU-Staaten selbst »verteidigungsfähig bleiben« und ausreichend Vorräte vorhalten können.

Die Einigung muß noch formell vom Rat der Mitgliedstaaten und vom Parlament bestätigt werden. Nach der offiziellen Annahme der Verordnung könnte sie dann nach EU-Angaben noch vor Ende Juli in Kraft treten.


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