Leitartikel11. April 2024

De Mënsch virum Profit!

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Am 3. April stellte der Menschenrechtsrat der UNO in Genf in einer Resolution fest, »daß die Schuldenlast die vielen Probleme der Entwicklungsländer verschärft, zu extremer Armut beiträgt und ein Hindernis für eine nachhaltige menschliche Entwicklung ist und deshalb ein ernstes Hindernis für die Verwirklichung aller Menschenrechte darstellt.«

UNCTAD, der in Paris ansässigen UNO-Konferenz für Handel und Entwicklung zufolge, leben derzeit 3,3 Milliarden Menschen – also mehr als vier von zehn der acht Milliarden – in Ländern, in denen der Posten Schuldendienst im jährlichen Staatsbudget größer ist als die Budgetposten Bildung oder Gesundheit.

In 45 Ländern fließen mehr als 15 Prozent der gesamten Staatseinnahmen in den Schuldendienst. Tag für Tag sind das dem UNCTAD-Bericht »A World of Debt« (Eine Welt der Schulden) zufolge mehr als eine Milliarde US-Dollar – so viel wie noch nie.

Deshalb, so erklärten am Dienstag das Hilfswerk der katholischen Kirche in Deutschland und die von ihm mitinitiierte Kampagne Erlassjahr.de in ihrem »Schuldenreport 2024«, stünden viele Länder im globalen Süden längst mit dem Rücken zur Wand.

Das den 73 ärmsten Ländern während der Coronapandemie von ihren staatlichen Gläubigern gewährte Schuldenmoratorium ist schon Ende 2021 ausgelaufen. Außerdem ist ein Großteil der durch das Moratorium freigewordenen Gelder eben nicht in den verschuldeten Ländern in die Armutsbekämpfung geflossen, sondern in die Taschen privater Gläubiger, die sich zuvor geweigert hatten, beim Moratorium mitzumachen.

Als dann ab Juli 2022 die Zinsen weltweit in die Höhe schossen, mußten die sogenannten kritisch verschuldeten Staaten ihre Ausgaben für Soziales, Bildung und Gesundheit abermals zurückfahren, um den hohen Schuldendienst leisten zu können.

Im »Schuldenreport 2024« heißt es, von 152 weltweit untersuchten Ländern seien 130 »kritisch verschuldet«, 24 sogar »sehr kritisch«. Zu letzteren zählt das südamerikanische Suriname, das die niederländische Kolonialmacht erst 1975 in die formale Unabhängigkeit entließ. Sehr kritisch sind Länder verschuldet, wenn sie mehr als 30 Prozent ihrer Einnahmen aus dem Warenexport in den Schuldendienst stecken müssen.

In Suriname halten private Gläubiger dem Report zufolge mehr als 30 Prozent der Staatsschulden. Deshalb wurde in den vergangenen drei Jahren versucht, die Privaten an der Restrukturierung der Staatsschulden zu beteiligen. Doch der Schuß ging gewaltig nach hinten los. Nicht nur konnten die privaten Gläubiger die Schuldenstreichung deutlich unter das Niveau drücken, das zuvor vom Internationalen Währungsfonds IWF als zwingend nötig berechnet worden war, nun sollen die privaten »Investoren« für ihre scheinbaren »Zugeständnisse« auch noch mit Staatseinnahmen aus dem Ölverkauf mehr als entschädigt werden.

Hinzu kommt, daß der Schuldendienst viele hochverschuldete Länder zwingt, auf Teufel komm raus zu exportieren – denn nur über einen Überschuß beim Außenhandel können sie sich die dazu nötigen Devisen beschaffen. Doch das wiederum zwingt die Schuldnerstaaten zu drastischen Maßnahmen im eigenen Land. Der Konsum der Bevölkerung wird beschnitten, Arbeiterrechte werden abgebaut und Gesetze zum Umwelt- und Klimaschutz gelockert.

Dies alles zeigt, daß die Staatengemeinschaft ihre ehrgeizigen »Ziele für eine nachhaltige Entwicklung« nur wird erreichen können, wenn auch im globalen Handel gilt: De Mënsch virum Profit!