Ausland08. Oktober 2009

Zunehmende Spannungen

Armee führt Krieg gegen Aufständische im Jemen

Die Militäroperation der jemenitischen Armee im Nordwesten des Landes spiegelt sich zunehmend in einem aufgehetzten innenpolitischen Klima wieder. Beim Freitagsgebet äußerten Geistliche in der vergangenen Woche ihre Unterstützung für das Vorgehen der Regierung Salih gegen die Milizen des Houthi Stammes, die sie als »Handlanger des Iran« und »Ketzer« bezeichneten. Der oberste Prediger der jemenitischen religiösen Universität, Scheich Abdul Majid al-Zan-dani erklärte vor wenigen Tagen, Teheran versuche die schiitische Ideologie in den Jemen zu exportieren und unterstütze die Houthi Milizen.

Teheran, das seine Sympathien für die bedrängten Glaubensbrüder im Jemen nicht verhehlt, wies die Anschuldigung zurück und rief zu einem Dialog mit den Houthi Rebellen auf. Der Iran werde in arabischen Staaten seit 2003 für jeden Aufstand und jeden innenpolitischen Konflikt im Nahen Osten verantwortlich gemacht, kritisierte Mahjoob Zweiri vom Institut für Iranstudien an der Universität Amman im arabischen Nachrichtensender »Al Dschasira«. Die Anschuldigungen gegen den Iran seien »übertrieben«. »Was in der Provinz Saada geschieht kann nur im jemenitischen Zusammenhang verstanden werden, es hat mit den Stämmen zu tun. Die Frage der (sunnitischen) Wahabiten und die Frage der Schiiten zu vermischen macht die Sache nur komplizierter, löst sie aber nicht.»

Die starke Minderheit der Zaiditen im Jemen, einer schiitischen Strömung des Islam, fordert mehr religiöse Rechte im Rahmen eines Imamats, wie es seit Jahrhunderten in der Region bestanden hatte, bevor es Anfang der 60er Jahre gestürzt worden war. Die Zaiditen sind jedoch gegenüber den Anhängern der Zwölfer Shia wie im Iran eine Minderheit und keine Anhänger des Velajet-e Faqih, des Staates der religiösen Rechtsgelehrten, wie er im Iran praktiziert wird. Den Zaiditen stehen die Sunniten im Jemen gegenüber, die vor allem der strengen Schule der Wahabiten folgen, wie sie in Saudi Arabien herrscht.

Weil der Wahabit Osama Bin Laden ursprünglich aus dem Jemen stammt, wird neben einer angeblichen schiitischen Gefahr von den westlichen Verbündeten des Jemen die »Gefahr einer neuen Al Qaida heraufbeschworen. Arabische Staaten wie Saudi Arabien und Ägypten unterstützten das Vorgehen der Regierung in Sanaa.

Die Houthi Milizen verkündeten derweil am Dienstag den Abschuß eines Kampfjets der jemenitischen Luftwaffe, nachdem einer ihrer Stützpunkte von zwei Jets bombardiert worden war. Die Armee sprach hingegen von einem »technischen Defekt«, der die Maschine zum Absturz gebracht habe. Innerhalb weniger Tage verliert die jemenitische Luftwaffe damit ein zweites Flugzeug samt Piloten. Am 2. Oktober hatten die Houthi Milizen erstmals den Abschuß einer Maschine gemeldet.

Jemens Präsident Ali Abdullah Saleh, der selber den Zaiditen angehört, hat die Vernichtung der Houthi Milizen angekündigt, egal, wie lange der Kampf dauern werde. Die Regierung sei »entschlossen, die Unruhen zu beenden« und werde »Sicherheit und Stabilität in der Saada Provinz wieder zum Recht verhelfen«, erklärte vor Truppen kurz vor ihrem Abmarsch in das Kriegsgebiet. Die Bevölkerung ist aufgerufen, Blut für die Soldaten zu spenden, was im Fernsehen übertragen wird.

Die USA-Regierung sieht im Jemen darüber hinaus die Gefahr einer angeblichen neuen Formation von Al Qaida. Eine »Al Qaida der Arabischen Halbinsel« habe den Jemen zu ihrer neuen Basis gemacht, erklärte einer der Oberstrategen im »Kampf gegen den Terrorismus«, Michael Leitner, bei einer Anhörung vor dem Komitee für Heimatschutz des Senats. Das Land könne zu einer »gefährlichen Basis für Ausbildung und Anschlagsvorbereitung« der neuen Al Qaida werden, sagte er. USA-Präsident Barak Obama hat der jemenitischen Regierung mehrfach die volle Unterstützung im »Kampf gegen Terrorismus« zugesagt.

Im Süden des Landes kam es am Dienstag erneut zu Demonstrationen gegen die Zentralregierung, von der sich die Bevölkerung vernachlässigt und politisch ausgegrenzt fühlt. Südjemen war ein unabhängiger Staat mit sozialistischer Orientierung, bevor er 1990 mit dem Norden des Landes vereinigt wurde. Tausende Demonstranten forderten in verschiedenen Städten die Freilassung aller in den letzten sechs Monaten festgenommenen Personen und protestierten gegen das wiederholte gewaltsame Vorgehen der jemenitischen Armee gegen die Oppositionsbewegung. Auf Transparenten wurden die arabischen Staaten aufgefordert, Südjemen zu schützen. Die Forderung richtete sich an den Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Moussa, der am gleichen Tag zu Gesprächen mit dem jemenitischen Präsidenten Ali Abdullah Salih zusammentraf. Ob die Arabische Liga bei den innenpolitischen Konflikten Jemens vermitteln wird, wurde nicht bekannt. Moussa sprach nach dem Treffen lediglich von der »Notwendigkeit eines nationalen Dialogs«, um die Einheit des Jemen zu erhalten.

Die Kämpfe im Norden und Süden Jemens haben seit Anfang des Jahres die Zahl der Inlandsflüchtlinge auf mehr als 150.000 erhöht. Das Land gilt als »Armenhaus der arabischen Welt«.

Karin Leukefeld