Ausland17. Dezember 2021

Sarkozy-Freund und Ex-Minister Claude Guéant im Knast

Beugehaft wegen schleppender Bezahlung von Geldstrafen

von Ralf Klingsieck, Paris

Claude Guéant, der als einer der engsten Freunde des seinerzeitigen rechten Präsidenten Nicolas Sarkozy 2007-2011 Generalsekretär des Elysée und 2011-2012 Innenminister war, wurde Anfang der Woche verhaftet und ins Pariser Gefängnis Santé eingeliefert. Die Justiz wirft ihm vor, eine vor Jahren verhängte Geldstrafe nur schleppend zu bezahlen und trickreich seine Zahlungsunfähigkeit zu organisieren.

Nach einem mehrjährigen Verfahren, das er durch immer neue juristische Winkelzüge künstlich in die Länge gezogen hatte, wurde der heute 76-jährige Guéant 2017 in letzter Instanz zu zwei Jahren Gefängnis, davon eins mit Bewährung, sowie zu 75.000 Euro Geldstrafe und 105.000 Euro Schadenersatz verurteilt. Das eine Jahr Haft mußte er nicht absitzen, es wurde ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt. Doch im vergangenen November hat das Berufungsgericht entschieden, die Aussetzung zur Bewährung aufzuheben, weil der Verurteilte seinen Auflagen nicht korrekt nachgekommen ist.

Von den 180.000 Euro, die er der Staatskasse schuldig ist, wurden bisher erst 36 Prozent beglichen, rechnet die Sonderstaatsanwaltschaft für Finanzdelikte vor, und auch die fast ausschließlich durch Pfändungen. So werden von seiner Rente monatlich 3.000 Euro einbehalten. »Mehr kann mein Klient nicht zahlen, er tut schon was ihm möglich ist«, behauptet Guéants Anwalt Philippe Bouchez, der beantragt hat, den Ex-Minister wegen seines Gesundheitszustands unverzüglich auf freien Fuß zu setzen.

Verurteilt wurde Claude Guéant, weil er in den Jahren 2002-2004 als Kabinettschef des damaligen Innenministers Nicolas Sarkozy sein Gehalt von 8.000 Euro plus 2.200 Euro Spesenpauschale »aufgebessert« hat, indem er sich noch monatlich 5.000 Euro in bar aus einer internen Kasse ausgezahlt hat. Die unterlag nicht der offiziellen Finanzkontrolle und war für die diskrete Entlohnung von Polizeispitzeln im kriminellen Milieu bestimmt.

Doch auch darüber hinaus ist Claude Guéant ein »alter Kunde« der Justiz. So wurde er bereits mehrfach wegen passiver Bestechung bei Waffengeschäften mit Pakistan und wegen Betrugs im Präsidentschaftswahlkampf von Nicolas Sarkozy 2007 verurteilt, der illegal mit Spenden des libyschen Staatschefs Ghaddafi finanziert wurde.

Das nächste Urteil steht Ende Januar 2022 an, wenn es um die betrügerische Finanzierung fiktiver Umfragen geht, die Guéant als Generalsekretär des Elysée ohne öffentliche Ausschreibung bei einer Agentur bestellt hat und aus der Kasse der Präsidialkanzlei bezahlen ließ, die Patrick Buisson gehörte, einem anderen Freund und Medienberater von Präsident Sarkozy.

In den verschiedenen Ermittlungsverfahren fiel den Untersuchungsrichtern der Finanzstaatsanwaltschaft auf, daß Guéant sein Gehalt auf ein Bankkonto überweisen ließ, von dem er aber über Jahre kaum etwas abgehoben hat. Gleichzeitig gab er für seinen üppigen Lebenswandel Unsummen aus, aber stets mit Bargeld aus unbekannter Quelle. Seine Wohnung in Paris und ein Ferienhaus im Süden wurden bereits von der Justiz gepfändet, er darf sie aber vorläufig weiter benutzen. Bekannt gewordenen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zufolge hat der Ex-Minister in den vergangenen Monaten Gold, eine teure Markenuhr und weitere Wertgegenstände verkauft und hat sich eine Lebensversicherung auszahlen lassen. Das Geld ließ er seinen erwachsen Kindern zukommen, wohl um es vor der Justiz in Sicherheit zu bringen. Sein Verteidiger sagte zu diesen Enthüllungen der Medien, sein Mandant habe nur seine Kinder unterstützt, weil diese »gegenwärtig in großem finanziellen Schwierigkeiten stecken«.

Claude Guéant ist kein Einzelfall, sondern nur eine besonders eindrucksvolle »Spitze des Eisbergs«. Allein in den letzten zehn Jahren wurde von den Medien mehr als ein Dutzend Fälle von Betrug, Bereicherung oder Verschleuderung von Staatsgeldern durch Regierungsmitglieder oder andere Politiker aufgedeckt und immer wieder fällt dabei der eklatante Mangel an Unrechtsbewußtsein auf.

Besonders eindrucksvoll war der Fall des kürzlich verstorbenen Ex-Ministers Bernard Tapie, dem Freunde in der Regierung mehr als 400 Millionen Euro als Entschädigung für angebliche Verluste zugeschanzt haben, die dem in die Regierung berufenen Unternehmer beim Verkauf seiner Werke entstanden sind, den die staatseigene Bank Crédit Lyonnais für ihn abgewickelt hat. 2013 wurde der sozialistische Budgetminister Jérôme Cahuzac abgesetzt und 2018 verurteilt, weil er zwar öffentlich Steuerflucht verurteilt, gleichzeitig aber privat mehrere Millionen Euro vor dem französischen Fiskus in der Schweiz in Sicherheit gebracht hat. Erst im vergangenen September stand der ehemalige Minister für kleine und mittelständische Unternehmen Alain Griset vor Gericht, weil er 2017 bei der gesetzlich vorgeschriebenen Offenlegung seines Besitzes beim Eintritt in die Regierung »vergessen« hatte, 170.000 Euro anzugeben, die angeblich einer von ihm geleiteten Vereinigung gehörten und die er nur bequemerweise auf seinem privaten Bankkonto »geparkt« hatte.