Ausland23. Dezember 2014

Filmriß:

Nordkorea – USA-Schurke mit Tradition

Es gibt abenteuerliche Erzählungen, die selbst bestens gemachten Thrillern den Schneid nehmen. Der Film »The Interview« aber ist ein grottenschlechter Streifen – dazu mit unverhülltem Tötungswahn –, der nur deswegen Publicity erheischt, weil seine Produzenten es nicht schafften, das Machwerk planmäßig in den Kinos anlaufen zu lassen.

Dieses Malheur ist dem kapitalistischen (japanischen) Großunternehmen Sony Pic­tures widerfahren, das jetzt auf massive Hilfe und Schadensbegrenzung seitens der Regierung des engsten Verbündeten, der USA, hofft. Was liegt da näher, als das inkarnierte Böse, Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un, als Drahtzieher der bis dato größten Cyberattacke auszumachen? Zumal es in dem Film darum geht, eben diesen Fiesling und verbliebenen Restposten des Realsozialismus ins Jenseits zu befördern.

Was aber, wenn alles ganz anders, viel »traditioneller« gestrickt ist? Seit Ende des Koreakrieges (1953) ist Nordkorea für die USA geblieben, was es für sie stets unumstößlich war – »das Böse« schlechthin. Washington sieht in der Volksrepublik nicht nur einen »Schurkenstaat«. Anfang 2002 erklärte Präsident George W. Bush das Land auch als Teil einer »Achse des Bösen« – neben Irak und Iran. Cineastisch sorgte der James-Bond-Film »Die Another Day« dafür, daß dieses Feindbild intakt blieb.

Als besondere, bis heute nicht verwundene Schmach gilt in Washington die sogenannte »USS Pueblo«-Affäre. Am 23. Januar 1968 hatten nordkoreanische Patrouillenboote das US-amerikanische Schiff »USS Pueblo« vor der Küste aufgegriffen, die gesamte 83-köpfige Besatzung gefangengenommen und sie der Spionage bezichtigt. Für die US-Marine eine herbe Schlappe. Schlimmer noch: Nachdem die »Pueblo« lange Zeit in Wonsan an Nordkoreas Ostküste ankerte, wurde sie später in die im Westen gelegene Hauptstadt Pjöngjang gebracht und dort auf dem Taedong-Fluß als Touristenattraktion und wie eine Trophäe ausgestellt. Entgegen ursprünglichen Planungen für einen Militärschlag der USA vermied es der damalige Präsident Lyndon B. Johnson allerdings, neben dem sich in Südvietnam abzeichnenden Fiasko ein weiteres Debakel in Asien zu riskieren. Heute vor 46 Jahren, an Heiligabend 1968, landete die »Pueblo«-Besatzung nach elfmonatiger Gefangenschaft im kalifornischen San Diego.

Donald P. Gregg, von 1951 bis 1982 ein strammer CIA-Mann in Südostasien und Zentralamerika, dann CIA-Landeschef in Südkorea, bevor er dort 1989 zum Botschafter der USA avancierte, bemängelte mehrfach, daß Nordkorea die »am längsten währende Aufklärungspanne in der Geschichte der US-amerikanischen Spionage« darstelle. In Washington, so Gregg, habe man keine Nordkorea-Politik betrieben, sondern nur »Haltung – nämlich Haß« – gezeigt. Wieso sollte sich das ändern, wenn man im eigenen Stall wegen Foltervorwürfen, massenhafter Überwachung und Manipulationen (z.B. im Falle angeblicher irakischer Massenvernichtungswaffen) zunehmend ins Fadenkreuz der Kritik gerät?

Rainer Werning