Ausland22. Dezember 2020

Wahlen von Antikommunismus geprägt

Trotz Zensur ziehen Venezuelas Kommunisten ins Parlament ein

Bei den Parlamentswahlen in Venezuela konnte die regierende PSUV bei einer historisch niedrigen Wahlbeteiligung von 31 Prozent 67 Prozent der Stimmen erringen. Die Kommunistische Partei Venezuelas (PCV) erkämpfte sich 2,7 Prozent der Stimmen, wird aber nur mit einem Abgeordneten im Parlament vertreten sein. Die Wochenzeitung der Deutschen Kommunistischen Partei »Unsere Zeit« sprach mit Carolus Wimmer, Internationaler Sekretär der PCV, über den Ausgang der Wahl und deren Bedeutung für die Zukunft Venezuelas.

Erst einmal Glückwunsch zu eurem Wahlergebnis! Erkläre uns doch bitte, warum bei eurem Ergebnis nur ein Genosse einen Sitz in der Nationalversammlung bekommt, schließlich ist es ein großes Parlament.

Wir sind mit der bisherigen Ankündigung des Nationalen Wahlrates (CNE) nicht einverstanden und fordern offiziell eine Erklärung, da wahltechnisch der Revolutionären Volksalternative (APR) unter der Führung der Kommunistischen Partei Venezuelas (PCV) bis zu neun Abgeordnete zustehen. Die PCV, die einzige konsequent linke Partei, die die Revolutionäre Volksalternative in der neuen Nationalversammlung (AN) vertritt, hat den Nationalen Wahlrat aufgefordert, die bei den Wahlen am 6. Dezember angewandte Methode der Sitzverteilung zu überprüfen, da sie bemerkenswerte Ungereimtheiten aufweist.

Es gibt keine Übereinstimmung zwischen dem Prozentsatz der erhaltenen Stimmen und der Anzahl der zuerkannten Abgeordneten. Wir sehen, daß die PSUV, die Regierungspartei, mit 67 Prozent der Stimmen, mehr als 91 Prozent der Sitze erhält. Der CNE ist verpflichtet, die Methodik zu überprüfen und zu korrigieren.

Andererseits dürfen wir uns nicht groß über das doch niedrige Wahlresultat der PCV wundern, da es für die sozialistische Regierungspartei (PSUV) in der ganzen Wahlkampagne eines der Hauptziele war, die PCV und APR in den Medien total zu zensieren, ihre verfassungsmäßigen und gesetzlichen Rechte einzuschränken, den polizeilichen Repressionsapparat zur Einschüchterung von Kandidaten und Wählern einzusetzen und die Wahlbeteiligung zu boykottieren. Vergessen wir auch nicht, daß einige Kandidaten und Kandidatinnen der APR in »Polizeigewahrsam« oder »Untersuchungshaft« gehalten wurden und werden. Die PSUV wollte nicht, daß ein Kommunist oder eine Kommunistin ins Parlament kommt.

Was bedeutet das Ergebnis für die PCV?

Für uns ist es ein moralischer und politischer Sieg, daß unter den bekannten negativen Voraussetzungen ein Repräsentant der Arbeiterklasse, der Bauern, der ausgebeuteten Bevölkerung in Stadt und Land, unser Generalsekretär Oscar Figuera, im Parlament deren Interessen verteidigen wird.

Bürgerliche Parlamente sind nicht der Hauptschauplatz des Klassenkampfes, aber ein wichtiger. Wir werden die politische und ideologische Möglichkeit im Parlament wahrnehmen. Und es ist wichtig zu betonen, daß Genosse Oscar Figuera nicht nur die PCV vertreten wird, sondern alle Parteien und Organisationen der APR. Diese Alternative, die erst seit ein paar Monaten besteht, konnte im ersten Anlauf noch nicht die erwünschten Resultate aufweisen, aber wir arbeiten, damit für das Volk eine neue Möglichkeit neben der konterrevolutionären Rechten und der reformistischen Sozialdemokratie besteht.

Der extreme Antikommunismus gegen uns wird in Zukunft unsere Stärke sein. Aber diese Revolutionäre Volksalternative wird in den nächsten Jahren von sich hören lassen.

Ihr habt vor der Wahl davon berichtet, daß ihr in den Medien boykottiert werdet und regelrecht einer Zensur unterliegt. Wie erklärt ihr euch, daß ihr trotzdem ein besseres Ergebnis habt als bei den vorigen Wahlen, als ihr noch als Teil des »Großen Patriotischen Blocks« wart?

Es gibt in Venezuela immer Platz für die Kommunisten. Wir müssen natürlich selbstkritisch daran arbeiten, daß trotz der Hindernisse der bürgerlichen Demokratie und der antikommunistischen Kampagnen der sozialistischen Partei die PCV als Machtblock sichtbar und wählbar wird. Trotz des bescheidenen Resultats gehen wir zuversichtlich ins neue Jahr.

Es ist wichtig, daß man sich auch im Ausland bewußt wird, daß wir nicht mehr in Zeiten des Präsidenten Chávez leben, in denen doch eine bewußte Linie hin zum Sozialismus sichtbar war. Die heutige Regierung sucht die Zuflucht aus der Blockade und den Sanktionen immer mehr in einem Pakt mit den konservativen Parteien und mit großen, unbegründeten Hoffnungen auf die neue USA-Regierung. Der »Patriotische Block« existiert nur noch dem Namen nach. Ab jetzt ist es die Revolutionäre Volksalternative APR, die zeigen muß, wie es im nationalen Befreiungskampf mit konkreten Vorschlägen gegen die kapitalistische Krise weitergeht, und zwar im Interesse des Volkes und nicht des Kapitals.

Wie beurteilt die PCV die historisch niedrige Wahlbeteiligung

Venezuela hat eine Präsidialdemokratie, deshalb gibt es an anderen Wahlen, selbst der des Parlaments, nicht das gleiche Interesse. Dazu kamen die Pandemie, die wirtschaftliche Situation, das Fehlen des öffentlichen Transportes, Benzinmangel und auch die wachsende ablehnende Haltung der Bevölkerung gegenüber der Unfähigkeit der angeschlagenen Regierungspartei, und auch der konterrevolutionären Opposition, die nichts anderes als den militärischen Einmarsch der USA-Truppen verlangt.

Sind Teile der Bevölkerung dem Boykott-Aufruf von Teilen der Opposition gefolgt?
Zum Boykott riefen vor allem Konterrevolutionäre auf, die geschützt im Ausland, besonders in den USA und Europa sitzen. Wie bekannt ist, nahm die ganze Gruppe von Oppositionsparteien an den Wahlen teil, und ab Januar werden sie eine bedeutende Anzahl Abgeordnete in der Nationalversammlung stellen. Die niedrige Wahlbeteiligung bedeutet nicht etwa eine »schweigende Mehrheit« für Konterrevolutionäre und Faschisten.

Was bedeutet die niedrige Wahlbeteiligung für die Regierung Maduro?
Zweifellos verliert sie ständig an Unterstützung. Im Jahre 2013, am Anfang seiner Regierung, bekam die PSUV die Zustimmung von 44 Prozent der Wahlberechtigten. Heute sind es kaum 17 Prozent. Das macht die Wahl nicht ungültig, zeigt aber auch, daß eine revolutionäre Alternative dringend sichtbar sein muß, sonst kann der politische Prozeß verloren gehen. Das wird auch große Bedeutung für die neue Orientierung der Kommunistischen Partei Venezuelas haben.

Wie wird es nun weitergehen?

An der Monroe-Doktrin, die die imperialistische Außenpolitik der USA speziell gegenüber Lateinamerika bestimmt, wird sich auch mit der neuen USA-Regierung nichts ändern. Es geht um die Energie- und Bodenschätze, die im krisengeschwächten USA-Kapitalismus gebraucht werden.

Der doppelte Widerspruch des Klassenkampfes, Imperialismus versus nationale Unabhängigkeit und Kapital versus Arbeit, wird weiter Eckpunkte des politischen Kampfes der PCV bleiben. Bisher haben breite Kreise der Bevölkerung zusammen mit einem Großteil der Streitkräfte klare antiimperialistische Positionen eingenommen. Die internationale Solidarität war in diesen Kämpfen mitentscheidend. Das ist gut und wichtig. Die andere Aufgabe, der Bevölkerung einen Systemwechsel hin zum Sozialismus klarzumachen, bleibt Aufgabe der Kommunisten. Wir sind zuversichtlich.

PCV-Generalsekretär Oscar Figueira am 8. Dezember bei einer Pressekonferenz der APR in Caracas (Foto: PCV)