Yuriko in Stahlgewittern
Die Begeisterung am Maschinengewehr
Mit dem ironisch zugespitzten Titel »Bratwürste und Panzerfäuste« thematisierte das »Tageblatt« am 14. Juli die groteske Verschränkung von Volksfestkultur und Aufrüstung beim Tag der offenen Tür der Luxemburger Armee.
Auf einem Bild, das inzwischen für eine beeindruckende Zahl von Kommentaren auf den sozialen Medien gesorgt hat, sieht man die luxemburgische Verteidigungsministerin Yuriko Backes lächelnd in einer heiteren Umarmung einer MAG 58 des belgischen Herstellers FN Herstal. Die Waffe ist ein 11,8 kg schwerer Korpus, der, geladen mit NATO-Standardpatronen, bis zu 1.000 Mal pro Minute töten kann. Ihre Dimension und Feuerkraft machen sie zu einer konzentrierten Verkörperung atlantistischer Kriegsbereitschaft.
Die MaG 58 gehört zum Gewaltapparat eines Bündnissystems, das seine Legitimation aus einer vermeintlichen »Wertegemeinschaft« schöpft, aber seine Stabilität aus Raketen, Maschinengewehren und Truppenrotationen bezieht. Ihre Funktion ist nicht die Abschreckung, sondern die operative Fähigkeit zur Vernichtung.
Was in der PR-Sprache der NATO als »Sicherheit durch Abschreckung« verniedlicht wird, erscheint auf diesem Bild in seiner enthemmten Form als heitere, familienfreundlich inszenierte Kriegslust. Und gerade darin liegt das Verstörende. Die Waffe wird nicht mehr als Instrument der Gewalt und des Mordens dargestellt, sondern als Requisit demokratisch-militärischer Wehrhaftigkeit. Ihre mediale Zähmung mit lachender Politikerin verwandelt das Tötungspotential in eine moralisch aufgeladene Notwendigkeit. Backes‘ Pose spricht klare Worte: Wir können töten. Und wir können es mit Freude.
Der Mann hinter der Ministerin, General Steve Thull, brachte das nachhaltige Zukunftsprogramm in einem rezenten Interview auf den Punkt: »Wer in die Armee geht, muss sich bewusst sein, dass man einem übergeordneten Ziel dient. Und dass das damit einhergehen kann, dass man sein Leben geben muss, um Frieden und Demokratie zu verteidigen. Darum geht es. Das ist absolut nobel und das verlangt einem alles ab.« (»Reporter«, 28. Mai 2025)
Ein möglicher Tod im Einsatz erscheint hier als Ausdruck von Sinn. Ein nobler Tod für die NATO und für die »Solidarität der Wertegemeinschaft« mit Feindbildverwaltung. Damit wird jene faschistoide Rhetorik des heldenhaften Kriegstods, wie man sie aus der Geschichte kennt, in die Gegenwart des Bündnisses übersetzt. Sie tritt jedoch nicht mehr als pathetischer Aufruf zur Opferbereitschaft auf, sondern als rationalisierte Pflichtformel im Namen von Frieden und Demokratie. Technokratisch entgiftet, frei von jeder »männlichen Toxizität«, die die Ministerin andernorts öffentlich bekämpft, erscheinen Mord und Tod als Elemente eines Pflichtbewusstseins, das keine Schuld kennt.
Die Opfer der Militärunion sollen nicht klagen, sondern aus dem Tod heraus leuchten. Nicht mehr weinen »am Brunnen vor dem Tore«, nicht mehr um »die stillen Kammern« trauern, sondern strahlen für die Gemeinschaft der Generäle und ihrer Politiker.
Das Lied, das einst aus der Perspektive eines toten Soldaten geschrieben wurde, der vom Grab aus spricht, könnte die gegenwärtige Ästhetik des edlen Sterbens nicht einmal mehr stören. Es könnte bekennender Teil ihrer neuen heiteren Todesikonografie werden. Aus der Klage würde Glanz und aus dem Grab ein Zeichen von Stärke.
Die Gewaltlosigkeit mit NATO-Kaliber
Die Ministerin, die in Interviews von Inklusion und Respekt spricht, empfindet sichtlich Freude am Instrument der Zerstörung. Was wie ein harmloser Moment am »Tag der Armee« erscheint, legt die tiefere, verdeckte Spannung zwischen deklarierter Gewaltvermeidung und genossener Gewaltimagination offen.
Die Szene mit Maschinengewehr lässt sich somit als Ausdruck eines psychopolitischen Mechanismus lesen. Während die öffentliche Politikerin sich auf der Oberfläche dem Ideal der Gewaltlosigkeit verschreibt, wirkt im Bildhintergrund eine andere Dynamik. Die Waffe fungiert als phallisches Objekt, aufgeladen mit viriler Macht und mörderischer Durchsetzungskraft. Sie erlaubt, gewissermaßen in Form eines Spiels, die Aufdeckung der Identifikation mit der Gewalt. Eine versteckte Identifikation, ohne Verantwortung. Die Ministerin muss nicht töten, sie darf bloß posieren und Luxemburg auf den Krieg vorbereiten.
Der Waffentisch wird so zum perfekten Ort einer neuen feministischen Lust zwischen Verdrängung und Identifikation, zwischen realem Töten und symbolischer Aneignung der Gewalt.
Die Ministerin spricht nahtlos über ihre außenpolitischen Ambitionen im Aktionsplan »Frauen, Frieden und Sicherheit«. Mehr Frauen in der Armee, so Frau Backes, könnten gezielt Friedensbestrebungen stärken. Doch während sie noch den Diskurs von Inklusion, Prävention und Menschenrechten führt, posiert sie schon lächelnd für den Tod.
Hier kollidieren zwei Logiken miteinander. Die eine zielt auf Gewaltvermeidung, Schutz und Diversität. Die andere inszeniert Stärke, Beherrschung und aggressive Kriegslust unter dem Deckmantel feministischer Rhetorik. Der imaginäre Feind ist projiziert, und das Subjekt darf sich scheinbar ohne Widerspruch an der Inszenierung von Stärke berauschen. »Feministische Außenpolitik« wird zur Affirmation militärischer Präsenz. Dieser Widerspruch scheint zunächst unaufgelöst, weil die symbolische Funktion der Waffe die moralische Sprache überlagert.
Der Widerspruch löst sich jedoch auf, wenn man auf die allgemeine Form solcher Feindbekämpfung blickt. So wie es für die NATO kein Nachgeben im Kampf gegen ihre äußeren Gegner gibt, so duldet auch der Kampf gegen Ungerechtigkeit, gegen Exklusion, gegen toxische männliche Gewalt keine Grauzonen. Die Logik ist identisch: Bedrohungsdiagnose und der mobilisierte Wille zur Durchsetzung der Bestrafung. Der diskursive Feind der Inklusion wird mit derselben sprachlichen Härte adressiert wie der geopolitische Gegner des Bündnisses und die Sprache der Gerechtigkeit verschmilzt mit der Grammatik der militaristisch-feministischen Gewalt.
Der neue NATO-Feminismus
Die Ministerin trägt das Maschinengewehr wie ein Kind zum Tode. Nicht im Modus der Zärtlichkeit, sondern in jener Haltung der Fürsorge, die weiß, dass das Richtige mitunter über Leichen geht. Wie einst, als Mutterschaft im Dienst des Krieges stand, als Gebären Pflicht und das Kind Ressource war, erscheint hier das mütterliche Ethos nicht als Widerspruch zur Gewalt, sondern als ihre moralische Rahmung. Diese Geste macht das Ungeheure des NATO-Feminismus nicht nur sichtbar, sondern integriert es in den Alltag der militarisierten Gesellschaft.
Die Waffe wird zur Fortsetzung der weiblichen Fürsorge mit anderen Mitteln. Es ist eine neue, feminine Figur der Gewalt, die sich nicht mehr durch Schock, sondern durch Plausibilität legitimiert. Das Kind ist nicht mehr unschuldig, die Mutter nicht mehr schützend und der Tod kein Skandal
So wird aus der »feministischen Außenpolitik« das Medium einer neuen Lobpreisung des Krieges. Der Krieg, dem man vormals mit schwerer Rüstung, Marschmusik und Heldenkult entgegentrat, kommt nun im Gewand der Gerechtigkeit, der Inklusion, der Prävention. Und doch bleibt es ein Krieg gegen reale Gegner, gegen imaginäre Bedrohungen, gegen alles, was sich dem neuen moralischen Konsens entzieht. Dass der Tod auf diesem Bild nicht mehr klagt, sondern leuchtet, ist kein Zufall, sondern Teil der neuen Darstellungskunst.
Ernst Jünger sah in den Stahlgewittern des Ersten Weltkriegs noch das Elementarereignis, das den modernen Menschen aus der bürgerlichen Schlaftrunkenheit reißen sollte. Heute kommt das Gewitter leiser, kontrollierter, effizienter. Es hat sich säkularisiert und in die Logik eines militärischen Neoliberalismus überführt, der nicht auf Pathos, sondern auf Performanz setzt.
Dass dabei stabile Renditen, geopolitische Marktchancen und optimistische Börsenausblicke entstehen, stört weder die Moral noch das Geschäftsmodell.