EU-Cloud nicht konkurrenzfähig
Ausgerechnet bei den Zukunftstechnologien sind die Industriekonzerne EU-Europas in Rückstand gegenüber ihren US-amerikanischen Konkurrenten, aber immer mehr auch gegenüber chinesischen Unternehmen geraten. Gewaltige, große Teile des Weltmarktes beherrschende Internetkonzerne gibt es jenseits des Atlantiks und in der Volksrepublik, aber nicht bei uns.
Wenn die EU-Kommission den von ihrer deutschen Präsidentin erhobenen Anspruch, demnächst eine führende Rolle in der Weltpolitik zu spielen, umsetzen will, dann müßte die industrielle Spitzentechnologie ausgebaut werden, um sich aus alten Abhängigkeiten zu befreien und neue zu vermeiden.
Schon 2019, im ersten Amtsjahr der nach Brüssel gewechselten deutschen Militärministerin, wurde deshalb eine »europäische Batterieallianz« angestoßen, 2020 kamen weitere Initiativen zur Sicherung der »digitalen Souveränität« hinzu: Gaia-X zur Schaffung einer »europäischen Cloud«, also eines internetbasierten Speicherdienstes, sowie der Versuch, in EU-weiter Kooperation eine »europäische Halbleiterproduktion« auf die Beine zu stellen und den derzeit bei nur rund einem Zehntel liegenden Anteil der EU an der Weltproduktion von Computerchips zu erhöhen.
USA-Konzerne dominieren in erster Linie den globalen Cloudmarkt. AWS von Amazon hält derzeit fast ein Drittel des Weltmarktes, Azure von Microsoft ein Fünftel und Google Cloud weitere sieben Prozent. Bislang hat es nur der chinesische Alibaba-Konzern geschafft, mit sechs Prozent Weltmarktanteil den Anschluß zu halten.
Die Konzerne in EU-Europa haben das Nachsehen. Nicht nur, daß ihnen Jahr für Jahr Milliardengewinne durch die Lappen gehen, gerade sogenannte mittelständische Unternehmen scheuen den Schritt in die »Datenwolke« außerhalb der eigenen Firewall, weil sie – völlig zu Recht! – Angst um die Sicherheit ihrer Daten haben. Denn der »CLOUD Act« gewährt den Geheimdiensten der USA seit 2018 ganz offiziell den Zugriff auf die von US-amerikanischen Konzernen gespeicherten Daten – auch dann, wenn sich die Datenspeicher außerhalb der USA befinden.
Die Nutzung der Cloud erhöht jedoch nicht nur die Speicherkapazität, sondern bietet auch Zugang zur neusten Software und vor allem erhöht sie – wegen des dem Unternehmen dann möglichen Zugriffs auf Supercomputer wie den am Montag in Bissen in Betrieb genommenen MeluXina – die Rechenleistung um ein Vielfaches.
Bislang ist Gaia-X nicht mehr als ein Netzwerk aus gut 200 privaten, vornehmlich deutschen oder französischen IT-Unternehmen und öffentlichen Forschungseinrichtungen. Erst im dritten Trimester dieses Jahres sollen die eigentlichen Dienste der »europäischen Cloud« zur Verfügung stehen – so zumindest die Ankündigungen aus Berlin, Paris und Brüssel.
Wie viele EU-europäische Unternehmen am Ende tatsächlich von Amazon, Microsoft oder Google zu Gaia-X wechseln, wird sich zeigen. Anfang Februar gab der deutsche VW-Konzern bekannt, bei der Entwicklung von Software für das autonome Fahren verstärkt mit Microsoft zu kooperieren. Ende 2020 schon hatte die Deutsche Bank eine »strategische Partnerschaft« geschlossen – mit Google Cloud.
Daß das Teilen von Daten in Echtzeit gewaltige Vorteile bringt, hat die Entwicklung von Impfstoffen gegen COVID-19 gezeigt: Sie ging nur deshalb so schnell, weil von den staatlichen Gesundheitsdiensten gesammelte Daten und Forschungsergebnisse der privaten Pharmakonzerne (zumindest zum Teil) allen angeschlossenen Partnern unmittelbar zur Verfügung standen.