Ausland07. Dezember 2022

Sarkozy steht wieder einmal vor Gericht

Diesmal geht es um Amtsmißbrauch und Bestechung

von Ralf Klingsieck, Paris

Der ehemalige Präsident Frankreichs, Nicolas Sarkozy, sein Anwalt Thierry Herzog und der pensionierte Richter Gilbert Azibert versuchen seit Montag vor einem Berufungsgericht in Paris, ihre im vergangenen Jahr in erster Instanz verhängte Strafe aufheben oder zumindest abmildern zu lassen. Alle drei waren am 1.März 2021 wegen Amtsmißbrauch und aktiver oder passiver Korruption zu drei Jahren Gefängnis, davon ein Jahr ohne Bewährung, verurteilt worden.

Bei diesem Prozeß handelt es sich nur um eine Facette der vielschichtigen juristischen Aufarbeitung von Sarkozys Amtszeit 2007-2012, als sich der Hausherr im Elysée in seiner Amtsführung nicht selten hart am Rande der Legalität oder sogar außerhalb dieser bewegte. Doch da das Staatsoberhaupt in dieser Zeit juristische Immunität genoß, liefen zwar schon die ersten Ermittlungsverfahren, doch angeklagt und vor Gericht gestellt werden konnte Sarkozy erst nach Beendigung seiner Amtszeit. Diese Prozesse ziehen sich seit Jahren hin und werden sicher noch einige Zeit dauern, da sich Sarkozy nie schuldig bekennt und alle juristischen Mittel ausschöpft, um einer endgültigen Verurteilung zu entgehen.

Bei dem gegenwärtigen Prozeß, dessen Dauer bis Mitte Dezember veranschlagt wird, geht es um den »Nebenschauplatz« eines früheren und viel größeren Verfahrens gegen Sarkozy wegen des Verdachts, für seinen Wahlkampf 2007 illegal Spenden von der Milliardärswitwe Liliane Bettencourt bekommen zu haben. In diesem Verfahren wurde Sarkozy inzwischen in letzter Instanz vom Kassationsgericht für schuldig befunden und zu einer Geldstrafe von 3.000 Euro verurteilt. Doch als dieses endgültige Urteil noch ausstand, hat der Ex-Präsident 2014 versucht, von Gilbert Azibert, der als Richter am Kassationsgericht Einblick in die Akten und Einfluß auf das eventuelle Urteil hatte, in Erfahrung zu bringen, welche stichhaltigen Beweise vorlagen und wie die Aussichten einer Verurteilung stünden.

Als Mittelsmann diente dabei Sarkozys Freund und Anwalt Thierry Herzog. Im Gegenzug wurde dem Richter in Aussicht gestellt, Sarkozy würde seine Beziehungen und seinen Einfluß nutzen, damit der Prinz von Monaco den Juristen in ein von diesem angestrebten Ehrenamt berufen würde. Dazu ist es nie gekommen, doch die Ermittlungsbehörden erfuhren davon durch das Abhören des Telefonanschlusses von Herzog im Zusammenhang mit dem Verfahren um die Wahlkampfspenden.

Bei dem jetzt laufenden Prozeß soll das Urteil der ersten Instanz aufgehoben werden, das die drei Angeklagten in allen Punkten für überführt und schuldig befunden hatte. Deren Verteidiger hatten argumentiert, daß keine Straftat vorlag, weil ja die Berufung des Richters in das prestigereiche Amt in Monaco nicht zustande gekommen ist. Daß Sarkozy keinen Einfluß auf den Bettencourt-Prozeß hatte, zeige seine Verurteilung zu einer Geldstrafe, erklären die Anwälte.

Zu diesen dürftigen Argumenten befand das Gericht im März vergangenen Jahres, daß entscheidend schon die Absicht der Straftat gewesen sei und nicht ihr ausgebliebener Erfolg. Zu Sarkozy wurde im Urteil vom März 2021 festgestellt, daß »die Taten, deren er sich schuldig gemacht hat, von besonderer Schwere sind, da sie von einem ehemaligen Präsidenten der Republik begangen wurden, der der Garant für die Unabhängigkeit der Justiz war«.

In Bezug auf den Anwalt Thierry Herzog, der außerdem wegen »Verletzung des Berufsgeheimnisses« zu einer Zusatzstrafe von fünf Jahren Berufsverbot verurteilt wurde, stellten die Richter fest, daß die »persönliche, freundschaftliche Bindung« des Anwalts zu seinem Mandanten Nicolas Sarkozy »durch mangelnde Distanz sein professionelles Urteilsvermögen getrübt« und ihn »dazu gebracht« habe, »sich über seine berufsethischen Verpflichtungen hinwegzusetzen«.

Die schärfsten Worte fand das Gericht zum ehemaligen Richter Gilbert Azibert, der sein Amt »in den Dienst privater Interessen« gestellt und den gesamten Berufsstand »in Verruf gebracht« habe. Zusammenfassend kamen die Richter zu dem Schluß: »Dieses Verhalten der Angeklagten hat dem berechtigten Vertrauen, das jeder Bürger der Justiz entgegenbringen darf, schwer geschadet.«

Im jetzt angelaufenen Berufungsprozeß stehen die Richter vor der Frage, ob diese deutlichen Worte ihrer Kollegen der ersten Instanz so stehen bleiben werden. Schließlich geht es dabei auch darum, was einmal in den Geschichtsbüchern über die Zeit des rechten Präsidenten Nicolas Sarkozy zu lesen sein wird.