Ausland26. September 2023

Ungesühntes Kriegsverbrechen

von Karin Leukefeld, Beirut

Palästinensische und ausländische Delegation versammelten sich am Freitag in Beirut, um an das Massaker von Sabra und Shatila im September 1982 zu erinnern.

Damals besetzte die israelische Armee West-Beirut, die beiden Palästinenserlager waren zuvor schon bombardiert worden. Am 14. September wurde der damalige libanesische Präsident Bashir Gemayel, ein Falangist, der mit Israel kollaborierte, ermordet. Die israelische Armee umstellte die beiden Lager und ermöglichte den libanesischen Kräften, der Miliz der Falangisten, am 16. September die Palästinenserlager zu überfallen und »Rache zu nehmen«. Mindestens 1.700 Männer, Frauen und Kinder wurden erschossen, erschlagen, mit Äxten und Messern getötet, wie die wenigen Überlebenden berichteten. Das Morden dauerte bis zum 18. September. Die israelische Armee hatte die Falangisten ausgebildet, bewaffnet und schoß in der Nacht Leuchtgranaten, damit genug Licht war, um das Morden fortzusetzen.

Bei einer Veranstaltung in der Risalat Halle, einem Versammlungszentrum im Süden von Beirut erinnerte der PLO-Vertreter im Libanon, Fatih Abu Ardad, daran, daß das Massaker vor 41 Jahren bis heute nicht gesühnt ist. Palästinensern wird ihr Recht auf Rückkehr in ihre Heimat verwehrt, die israelische Armee verfolgt und attackiert Palästinenser in den Lagern im Westjordanland und in Gaza. In Ostjerusalem werden sie aus ihren Häusern vertrieben, das Unrecht gehe weiter und die Welt schweige, sagte er. Delegationen aus Italien, Britannien und Japan brachten ihre Solidarität zum Ausdruck.

Es sei unerträglich, daß auch 41 Jahre später die Verantwortlichen für das Kriegsverbrechen im Libanon unbehelligt leben könnten, meinte S., ein junger Palästinenser, der ausländische Delegationen bei ihren Besuchen im Libanon und in den palästinensischen Flüchtlingslagern begleitet. Im Gespräch mit der Autorin erinnerte er daran, daß Ariel Scharon, damals Befehlshaber der israelischen Besatzungsarmee, die den Westen von Beirut besetzt hatte, später Ministerpräsident Israels werden konnte. Die »internationale Gemeinschaft« habe die Palästinenser komplett im Stich gelassen, sagte S. Niemand habe das Recht auf Rückkehr und die Bildung eines Staates Palästina mit Ostjerusalem als Hauptstadt werde verhindert.

Im Anschluß an das Gedenken marschierten Jung und Alt mit einem Meer palästinensischer und einiger libanesischer Fahnen zu dem Ort, an dem die Opfer beerdigt wurden.

Der Gedenkort am Eingang der Flüchtlingslager Sabra und Shatila ist allerdings in Gefahr. Der Besitzer des Grundstücks will dort Häuser errichten. Die PLO versucht mit einer internationalen Kampagne Geld zu sammeln, um dem Mann das Grundstück abkaufen zu können, damit der Gedenkort und die Totenruhe der Ermordeten erhalten bleiben kann.