Leitartikel01. Februar 2023

Milliarden für den Krieg – Almosen für das Klima



Der »Westen«, der angeblich »unsere Werte« verteidigt, holt sich im »globalen Süden« eine Abfuhr nach der anderen. Die jüngste Reise des deutschen Bundeskanzlers nach Chile, Argentinien und Brasilien steht geradezu symbolisch dafür.

In erster Linie galt der Kurzausflug von Olaf Scholz nach Südamerika den Bemühungen, deutschen Konzernen einen weiteren Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Dafür hatte der Kanzler eine ansehnliche Gruppe von Wirtschaftsvertretern dabei. Einer der wichtigsten Erfolge dürfte wohl sein, daß sich die deutsche Wintershall weiter an Fracking-Gas bedienen kann, das unter zunehmenden Schäden für die Umwelt und die dort lebende Bevölkerung in der Schiefergas-Lagerstätte »Tote Kuh« gefördert wird. Auch die Lithuim-Vorräte Südamerikas stehen der deutschen Wirtschaft weit offen, ebenfalls mit bisher nicht konkret berechneten Folgeschäden für Umwelt und Klima.

Die seit vielen Jahren laufenden Bemühungen der Europäischen Union, mit dem südamerikanischen Wirtschaftsbündnis Mercosur eine Freihandelszone zusammenzuschustern, haben einen weiteren kleinen Anstoß bekommen, es ist aber kaum anzunehmen, daß dies über die verbalen Bekenntnisse wesentlich hinausgeht.

Sehr deutlich sind allerdings die Versuche des deutschen Regierungschefs abgeschmettert worden, die Front gegen Rußland – und auch gegen China – zu erweitern und die Gesprächspartner auf die Seite des antirussischen Wirtschaftskrieges zu ziehen. Die Unterstützung für das Kiewer Regime in der Ukraine geht über vage Formulierungen nicht hinaus. Umso deutlicher waren die Absagen an Waffenlieferungen.

Weder Argentinien noch Lateinamerika werden der Ukraine Waffen für diesen Krieg liefern, betonte Argentiniens Präsident Alberto Fernández offen vor der Presse und ließ den deutschen Gast damit wie einen begossenen Pudel erscheinen. Waffen für die Ukraine, ganz konkret Munition für Panzer, lehnte auch Brasiliens Präsident Lula da Silva rundweg ab. Wahrscheinlich hätte dem Kanzler jemand sagen müssen, daß sich außer einer Inselgruppe kein einziges Land des südlichen Amerika an den Sanktionen des »Westens« gegen Rußland beteiligt. Und seine Außenministerin hätte ihm auch sagen können, daß Präsident Lula stattdessen an der Formierung eines »Friedensclubs« arbeitet, der sich für eine schnellstmögliche Lösung des Konflikts per Verhandlungen einsetzen soll.

Geradezu lächerlich muß es erscheinen, wenn das »reiche Deutschland« rund 200 Millionen springen läßt für die Rettung des Regenwaldes im Süden Amerikas – eines der wichtigsten Faktoren für den Schutz des Klimas, während gleichzeitig 100 Milliarden zusätzlich für die Rüstung ausgegeben werden, also für den Krieg, den schädlichsten Faktor für das Klima. Und damit ist hier vor allem das politische Klima gemeint.

Peinlich, aber auch bezeichnend ist es, wenn knapp 50 Jahre nach dem faschistischen Putsch in Chile gegen den sozialistischen Präsidenten Salvador Allende – ein Putsch, der auch von der damaligen Regierung der Bundesrepublik Deutschland zumindest mit Wohlwollen geduldet wurde – der Bundeskanzler nicht viel mehr als ein paar warme Worte übrig hat und gemeinsam mit Chile an einer Gedenkstätte für die Opfer der »Colonia Dignidad« arbeiten lassen will, einem von deutschen und chilenischen Faschisten betriebenen Lager, in dem Antifaschisten gequält und ermordet wurden. Soviel auch zu »unseren Werten«.