Unser Leitartikel : Ohne Frieden ist alles nichts
Die deutsche Hilfsorganisation Welthungerhilfe und das Washingtoner Internationale Forschungsinstitut für Ernährungs- und Entwicklungspolitik (IFPRI) haben am Dienstag ihren »Welthunger-Index« veröffentlicht, der in 118 Ländern ermittelt wurde. Demnach ist der Hunger in der Welt seit dem Jahr 2000 von 30 auf 21,3 Punkte gefallen. Auch im Vergleich zu 2015 ergab sich eine Verbesserung um 0,4 Punkte. – Wobei in allen Ländern, in denen der Index zwischen 20 und 35 Punkten liegt, die Lage als »ernst« gilt.
Um den Hunger zu messen, wurden vier Kriterien herangezogen. Einmal, wie hoch der Anteil der Unterernährten an der Bevölkerung ist. Die anderen beziehen sich auf die Kinder, nämlich : Wie hoch ist der Anteil der Kinder, die sterben, bevor sie fünf Jahre alt sind ? Und : Wie hoch ist der Anteil der Kinder bis vier Jahre, die akut oder chronisch unterernährt sind ? Chronisch unterernährt heißt, die Kinder weisen eine zu geringe Körpergröße auf, leiden also an einer Verzögerung des Wachstums. Akute Unterernährung bedeutet, sie sind ausgezehrt, haben also ein zu niedriges Gewicht. Diese Kriterien werden gewichtet und daraus wird dann der Index gebildet.
Demnach konnten 22 Länder ihre Werte in den vergangenen 16 Jahren um mindestens 50 Prozent reduzieren. Die drei Länder in den Kategorien »ernst« und »sehr ernst« , die ihre Hunger-Werte am stärksten senken konnten, waren Ruanda, Kambodscha und Myanmar. Alle drei Länder waren in den vergangenen Jahrzehnten von Bürgerkriegen betroffen.
Welthungerhilfe-Präsidentin Bärbel Dieckmann sprach denn auch von »wichtigen Erfolgen« in der Hungerbekämpfung. Gleichwohl sei die absolute Zahl von Hungernden in der Welt mit 795 Millionen weiterhin »unerträglich hoch« . So sei noch immer jedes vierte Kind wegen Hungers in seinem Wachstum beeinträchtigt.
Trotz der Verbesserungen leiden der Organisation zufolge die Menschen in 50 der 118 untersuchten Staaten besonders unter den Folgen von Hunger und Unterernährung. Das seien immerhin zwei Länder weniger als im Vorjahr. Schlußlichter des diesjährigen Rankings sind das westafrikanische Sierra Leone, der nahöstliche Jemen, das afrikanische Madagaskar, Haiti in der Karibik sowie Sambia, der Tschad und die Zentralafrikanische Republik im subsaharischen Afrika. In diesen Ländern sowie in Afghanistan wird die Lage als »sehr ernst« eingestuft.
Die Welthungerhilfe mahnt deshalb zu weiteren und verstärkten »Anstrengungen in Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft« , um das von der UNO bis zum Jahr 2030 anvisierte Ziel »Null Hunger« zu erreichen. Die betroffenen Länder müßten der Ernährungssicherung in ihren Entwicklungsplänen absolute Priorität einräumen. Dabei seien neben der Verbesserung von Infrastruktur und Verteilungssystemen auch die Wahrung der Menschenrechte und die Stärkung der gesellschaftlichen Teilhabe von Frauen von Bedeutung.
Eine gute Nachricht aus der Studie ist auch, daß die Situation von den Experten derzeit in keinem Land als »gravierend« – das mißt die höchste Stufe – eingestuft wird. Die Autoren weisen aber darauf hin, daß sie 13 Länder wegen fehlender Daten nicht bewertet konnten – darunter Syrien, Libyen und der Sudan, wo jeweils in großen Landesteilen Krieg herrscht. Dort gebe es »Anlaß zu ernster Besorgnis« , da oft bewaffnete Konflikte – und nicht etwa Mißernten oder Naturkatastrophen – »Hauptursache« für Hunger seien, betonen die Experten.
Wie sagte Willy Brandt ? »Der Frieden ist nicht alles, aber alles ist ohne den Frieden nichts.«
Oliver Wagner