Durch »Kriegs-Ökonomie« mehr Waffen für die Ukraine
Macron sichert der Rüstungsindustrie Frankreichs neue Milliarden zu
Präsident Emmanuel Macron hat ein neues Militärprogrammgesetz angekündigt, das Anfang 2023 im Parlament zur Beratung und Abstimmung eingebracht wird. In einem Interview begründete er dies damit, daß das aktuelle, seit 2019 laufende und eigentlich noch bis 2025 reichende Programm durch die Ereignisse in der Welt und vor allem durch den Krieg in der Ukraine überholt sei.
»Da die Gefahr von Konflikten immer größer wird, müssen wir heute unsere operativen Ambitionen für den Zeitraum bis 2030 neu abwägen«, sagte Macron. »Es geht darum, über ausreichende Kapazitäten zu verfügen, um für eine mögliche Rückkehr zu Konfrontationen von hoher Intensität gewappnet zu sein.« Konkret läuft das auf eine weitere Steigerung des Militäretats hinaus, was Macrons wiederholt geäußerter Zusage entspricht, diesen in Frankreich auf die »NATO-Norm« von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts anzuheben.
Nach einer langen Periode relativ knapper Mittel fürs Militär mit entsprechenden Konsequenzen für die Einsatzbereitschaft – was sich besonders bei Auslandseinsätzen in Afrika zeigte – hat Emmanuel Macron bereits kurz nach seiner Wahl zum Präsidenten 2017 eine Wende eingeleitet, die mit dem seit 2019 laufenden Programm deutlich steiler wurde. Während 2019 erst 35,9 Milliarden Euro zur Verfügung standen, sind es im laufenden Jahr 40,9 Milliarden, für 2023 wurden im Staatshaushalt bereits 44 Milliarden vorgesehen und 2025 soll die Marke von 50 Milliarden Euro überschritten werden.
Das alles soll nun viel schneller gehen, meint Macron. »Wir müssen mehr und besser investieren«, ist er überzeugt. Der Krieg in der Ukraine und die sich daraus ergebende »Notwendigkeit«, schnell und in großem Umfang zusätzliche Waffensysteme und andere Militärausrüstungen zu produzieren, mache deutlich, wie kompliziert und schwerfällig des Geflecht von Airbus, Thalès, Safran, Dassault, Naval Group und weiteren Großunternehmen und den bis zu 5.000 kleinen und mittelständischen Produzenten oder Zulieferfirmen ist. Das zeigte sich ganze besonders, als Frankreich kurzfristig Artilleriemunition und diverse Ausrüstungen aus den eigenen Beständen in die Ukraine geliefert hat und die nationalen Reserven – die sich bei dieser Gelegenheit als völlig unzureichend erwiesen – möglichst schnell wieder aufgefüllt werden mußten.
Die dafür benötigte Zeit beträgt je nach Typ oft mehrere Monate. Noch komplizierter ist die Lage bei hochmodernen Systemen wie beispielsweise den auf Allrad-Lkw montierten 155-mm-Haubitzen Caesar, von denen Frankreich aus dem eigenen Bestand von 76 Exemplaren zwölf an die Ukraine geliefert hat. Dieses Waffensystem, das mit Hilfe seiner satellitengestützten elektronischen Steuerung Ziele in bis zu 40 km Entfernung extrem präzise treffen kann, ist sehr effizient und trotz des Stückpreises von fünf Millionen Euro sehr begehrt bei vielen Partnern Frankreichs in der Welt. Doch das französische Herstellerwerk produziert davon derzeit höchstens zehn Stück pro Jahr, und da die Kapazität durch Exportverträge schon lange im Voraus ausgebucht ist, muß die französische Armee mit einer Wartezeit von mindestens eineinhalb und bis zu vier Jahren rechnen.
In solchen Fällen müsse man eingefahrene Weg verlassen und schneller reagieren, betont der Präsident. »Der Rüstungsbedarf muß laufend und seit den Ereignissen in der Ukraine mehr denn je den aktuellen militärstrategischen Interessen angepaßt werden«, unterstrich Emmanuel Macron, der in diesem Zusammenhang von der Notwendigkeit einer »Kriegs-Ökonomie« sprach. Einige Medien haben in Erfahrung gebracht, daß im Élysée und im Kriegsministerium am Entwurf eines Gesetzes gearbeitet wird, mit dem jedes Unternehmen in Frankreich, auch wenn es bisher nicht zu den Vertragspartnern der staatlichen Generaldirektion für Rüstung DGA (Direction générale de l‘armement) gehörte, verpflichtet werden kann, kurzfristig seine Produktion auf dringend benötigten Militärbedarf umzustellen.
Das neue Gesetz orientiert sich an dem, das in den USA während des Koreakriegs erlassen und seitdem nie aufgehoben wurde. Es sieht vor, daß dafür nicht nur die bestehenden Kapazitäten voll ausgeschöpft, sondern bei Bedarf auch neue geschaffen werden müssen und auch der Rhythmus der Produktion entsprechend zu beschleunigen sei.
Zur neuen langfristigen Militärstrategie und dem sie begleitenden Rüstungsprogramm gehört nach dem Willen des Präsidenten auch, »die Gesamtheit der Auslandseinsätze, vor allem in Afrika, neu zu überdenken«. Frankreich wird im September die letzten Militärs aus Mali abgezogen haben, worauf die dortige Militärregierung gedrungen hat. Daraus hat Frankreich die Schlußfolgerung gezogen, im Interesse der Akzeptanz bei der Bevölkerung die eigenen Militärkräfte in den anderen Ländern der Sahel-Zone nur noch unter dem Kommando der örtlicher Militärverantwortlichen operieren zu lassen.