Leitartikel27. August 2009

Wie regierungsunabhängig sind NGOs?

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Sie nennen sich Nichtregierungsorganisationen, abgeleitet vom amerikanischen »Non-governmental Organization« (NGO), und behaupten, sie seien weder von Regierungen, noch von anderen staatlichen Stellen organisiert oder sonstwie abhängig.

Doch als der »Cercle de coopération«, der Dachverband der Nichtregierungsorganisationen im Bereich der Entwicklungshilfe, kürzlich seine Studie »Zur Debatte um Steueroasen: Der Fall Luxemburg« wieder zurückgezogen hat, weil dem Bankenpatronat und der staatlichen Promotionsagentur »Luxembourg for Finance« nicht paßte, was der Soziologe und Wirtschaftspublizist Rainer Falk im Auftrag der 75 »Cercle«-Mitglieder herausgefunden hat, wurde erneut deutlich, daß NGOs alles andere als »unabhängig« von staatlichen Stellen und den Regierungen ihrer Heimatländer sind.

Die Wühlarbeit der 1955 in Westdeutschland gegründeten und als »CDU-nah« geltenden Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) war während des Kalten Krieges vor allem in Südamerika derart effizient, daß der damalige US-Präsident Ronald Reagan seinen Nationalen Sicherheitsrat 1983 damit beauftragte, ihm nach dem Vorbild der KAS auch eine angebliche Nichtregierungsorganisation mit dem Namen »National Endowment for Democracy« (NED) zu schaffen. Allen Weinstein, ihr erster Präsident, gestand 1991 freimütig ein: »Vieles von dem, was wir heute tun, hat vor 25 Jahren bereits die CIA auf verdeckte Weise getan.«

Neben der NED gehört – vor allem in den ehemals sozialistischen Staaten Osteuropas – auch das NGO-Imperium des US-amerikanischen Investmentbankers George Soros zum außenpolitischen Rüstzeug Washingtons. Insbesondere das schon mit NATO-Truppen an seinen Grenzen konfrontierte Rußland sieht sich seit Jelzins Abgang einer verstärkten Tätigkeit der NGO-Diversanten in seinen Zentren ausgesetzt.

Im NATO-Protektorat Afghanistan, genauer gesagt in der Hauptstadt Kabul, sitzen mehr als 2.500 NGOs, die dort faktisch als Ersatzregierung fungieren und die die auf diversen »internationalen Geberkonferenzen« versprochenen Milliarden wieder in die »Geberländer« zurückpumpen. Der Londoner Autor, Filmemacher und Historiker Tariq Ali sagt, die Bezeichnung NGO sei irreführend und schlägt vor, sie »WGOs – Western Governmental Organizations«, also Organisationen westlicher Regierungen, zu nennen.

Auch die 75 »Cercle«-Mitglieder sind alles andere als regierungsunabhängig, wird doch der weitaus größte Teil ihrer Entwicklungshilfeprojekte in der Dritten Welt über staatliche Zuschüsse gefördert: Der Staat verlangt bei Kofinanzierung einen NGO-Anteil von gerade einmal 25 Prozent.

Doch warum bezahlt der Staat den NGOs »ihre« Entwicklungshilfeprojekte? Damit wird kein direktes ökonomisches Ziel verfolgt, denn die Überausbeutung der Arbeitskraft in der Dritten Welt fände unvermindert statt, wenn die Hilfen eingestellt würden. Zunächst geht es dem Staat um die Festigung von Einflußzonen und die Erzeugung von Dankbarkeit, die stets Anpassung, Orientierung und Bindung der Menschen an den Spender zur Folge hat. Darüber hinaus bildet das Netz der NGOs eine Nachrichtenkette, die der des jeweiligen Landes meist haushoch überlegen ist. Vor allem aber sollen die Eliten korrumpiert und manipuliert werden und die NGOs können politische und ökonomische Liberalisierungsforderungen konzentriert und diplomatisch unverfänglich durchzusetzen.

Oliver Wagner