Gesundheit vor Profit
»Ewigkeitschemikalien«: Der US-amerikanische Bauer Wilbur Tennant war der erste, der juristisch gegen den Teflonproduzenten DuPont vorging
Als am 17. Mai 2004 die Stockholm-Konvention in Kraft trat, markierte das Sona Dadhania zufolge einen historischen Moment: »Es war der erste globale Vertrag, der darauf abzielte, gesundheitsschädliche Chemikalien für Mensch und Umwelt zu beseitigen oder einzuschränken«, erläutert die Expertin vom britischen Ingenieurbüro IDTechEx. Genauer gesagt regelt das auf einer Konferenz in der schwedischen Hauptstadt beschlossene, völkerrechtlich bindende Übereinkommen den Umgang mit sehr langlebigen organischen Schadstoffen. Erstaunlich spät, wenn man bedenkt, daß gefährliche Chemikalien schon seit den 50er Jahren im industriellen Maßstab hergestellt und verarbeitet werden.
Die inzwischen von 186 Staaten ratifizierte Stockholm-Konvention begann mit dem Verbot des »Dreckigen Dutzends«: Zwölf organische Chlorverbindungen, die als krebserregend gelten und das Erbgut verändern können, wurden nach und nach aus dem Verkehr gezogen. Dazu zählten das Insektizid DDT und die vor allem in Transformatoren und Kondensatoren enthaltene Industriechemikalie PCB. Ferner regelt das UNO-Abkommen Fragen der Entsorgung und der Unterstützung armer Staaten mit Geld, Wissens- und Technologietransfer. Das Sekretariat der Konvention in Genf sammelt außerdem Informationen, überwacht das Register mit Ausnahmeregelungen für bestimmte Länder und nimmt Anträge auf Ausweitung der Bestimmungen entgegen.
Das Jahr 2009 markiert laut Materialwissenschaftlerin Dadhania einen weiteren Meilenstein. Damals wurden Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) und ihre verwandten Stoffe als erste aus der Gruppe der per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) international geregelt. Die PFAS, feste, flüssige oder gasförmige Stoffe, die in der Natur nicht vorkommen, bestehen aus Kohlenstoffketten, deren Wasserstoffatome ganz oder teilweise durch Fluoratome ersetzt wurden. Da sie in der Umwelt kaum abbaubar sind, werden sie »forever chemicals« oder »Ewigkeitschemikalien« genannt. Doch der Weg, den das Übereinkommen über persistente (langlebige) organische Schadstoffe aufzeigt, ist ein sehr langer. Bisher wurden erst drei PFAS in die Konvention aufgenommen – die Gruppe umfaßt jedoch selbst nach der Definition der stets auf Deregulierung im Sinne der Konzerne drängenden Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) fast 5.000 Stoffe. Aktuellere Schätzungen gehen gar von 12.000 aus.
Und weil die Forschung immer weitere Risiken für die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt identifiziert, verfolgen einer IDTechEx-Studie zufolge mittlerweile Aktivisten und Gesetzgeber weltweit einen »aktiveren Ansatz« zur Regulierung von PFAS. Und in den USA wurden bereits die Herstellerkonzerne wegen der Verseuchung von Grundwasserquellen zur Kasse gebeten. Allein der Chemieriese DuPont, der auch im luxemburgischen Contern ein Werk betreibt, willigte Anfang Juni 2023 ein, fast 1,2 Milliarden US-Dollar (umgerechnet rund 1,1 Milliarden Euro) zu zahlen, um »alle Klagen mit Bezug zu PFAS-verunreinigtem Trinkwasser« beizulegen.
Mit DuPont hatte sich ab 1998 schon Wilbur Tennant angelegt, dessen dann fast 19 Jahre dauernde juristische Auseinandersetzung mit dem Chemiemulti Todd Haynes‘ sehenswerter Spielfilm »Dark Waters« (deut. Titel: »Vergiftete Wahrheit«) von 2019 erzählt. Dem Bauer aus Parkersburg, West Virginia waren 190 Kühe auf der Weide verendet, weil DuPont in der Nähe seiner Farm unter dem Markennamen Teflon Polytetrafluorethylen (PTFE) produzieren ließ und dabei die Böden und das Grundwasser vergiftete..