Sophia Loren
Eine Diva wird 90
Sie ist eine der ganz Großen aus der großen Zeit des Kinos. Jetzt wird die italienische Filmlegende 90. Und weiß noch nicht, was die Familie für sie veranstalten wird.
Als Sophia Loren 1962 ihren ersten Oscar gewann, lag sie im Bett. War trotz Nominierung in Rom geblieben, weil in Hollywood noch nie eine Ausländerin in einem ausländischen Film den Preis für die beste Hauptrolle bekommen hatte. Zudem war die Konkurrenz enorm: allein schon Audrey Hepburn in »Frühstück bei Tiffany«.
Doch dann klingelte in Rom mitten in der Nacht das Telefon. Am Apparat war Cary Grant, mit dem sie mehr verband als zwei gemeinsame Filme. Er schrie in den Hörer: »Sophia, du hast gewonnen, gewonnen, gewonnen.«
Das war einer der großen Glücksmomente im Leben von Sophia Loren. Davon gab es, bedenkt man ihre Herkunft, eine ganze Menge. Aus Sofia Villani Scicolone, geboren 1934 in Rom, aufgewachsen in der Nähe von Neapel, ohne Vater, in ärmlichen Verhältnissen, mitten im Krieg, wurde ein Weltstar. Drei Jahrzehnte nach dem Kriegsdrama »Und dennoch leben sie«, für das sie 1962 ausgezeichnet wurde, bekam sie noch einen Oscar: fürs Lebenswerk. Am 20. September wird sie 90.
Und keine Frage: Sie ist eine echte Diva, vielleicht die letzte aus der großen Zeit des Kinos. Alles in allem drehte Sophia Loren mehr als 100 Filme, von Italo-Komödien über europäisches Autorenkino bis Hollywood. Ihre klassische Szene: eine große, schöne Frau mit Katzenaugen und großzügigem Dekolleté, die in Riesenschritten auf hohen Absätzen ihren Weg geht.
Sie war die Verkörperung von Grandezza, Selbstbewußtsein und Sex-Appeal. Nacktaufnahmen drehte sie nie. »Ich bin nicht gerade winzig«, erläuterte sie. »Wenn Sophia Loren nackt ist, ist das eine Menge Nacktheit.«
Sie konnte es sich sogar leisten, einen Heiratsantrag des großen Herzensbrechers Cary Grant abzulehnen. Stattdessen heiratete sie einen Landsmann, 20 Zentimeter kleiner und 21 Jahre älter als sie: den Filmproduzenten Carlo Ponti, der sie 1950 bei der Wahl zur »Miss Rom« entdeckt hatte. (Sie wurde zweite.)
Die beiden waren mehr als ein halbes Jahrhundert zusammen. Nach Pontis Tod 2007 sagte sie: »Ich habe mich für Carlo entschieden, weil er zu meiner Welt gehörte, zu meinen Leuten. Jemanden zu heiraten, der kein Italiener ist, nicht aus meiner Heimatstadt: Da wäre ich völlig verloren gewesen.«
Im Film war Marcello Mastroianni ihr Lieblingspartner, Italiener auch er und noch so ein Herzensbrecher des internationalen Kinos. Die beiden drehten 13 Filme zusammen wie »Gestern, heute und morgen«, »Hochzeit auf Italienisch« oder »Prêt-à-Porter«.
Und »Ein besonderer Tag«: der 3. Mai 1938, als Adolf Hitler für ein Treffen mit dem anderen faschistischen Diktator Benito Mussolini nach Rom kommt. Derweil trifft die Ehefrau (Sophia Loren) eines römischen Faschisten einen Schwulen (Marcello Mastroianni), der vor der Deportation steht. Diesen Film bezeichnet sie als ihren besten.
Bei all dem Erfolg gab es in ihrem Leben aber auch die schwierigen Phasen. Carlo Ponti war anfangs noch anderweitig verheiratet, Scheidung in Italien damals noch tabu. Erst 1966 schlossen sie eine rechtskräftige Ehe. Beide nahmen dafür die französische Staatsbürgerschaft an. Bis Nachwuchs kam, dauerte es ebenfalls. Sophia Loren hatte mehrere Fehlgeburten, woraus sie keinen Hehl machte.
Der »Süddeutschen Zeitung« sagte sie einmal: »Ich hatte mir Kinder gewünscht, seit ich 16 war und bekam mein erstes Kind erst mit 34, Eduardo dann mit 38. Sie können sich vorstellen, wie lange ich gelitten habe.« Bei beiden Schwangerschaften mußte sie acht Monate liegen. Carlo Ponti junior ist heute Dirigent. Eduardo wurde Regisseur, drehte auch mit seiner Mutter.
Zu den unangenehmen Erfahrungen gehörte auch, daß sie 1982 wegen Steuerhinterziehung für 18 Tage ins Gefängnis mußte. Mit 73 ließ sie sich für den legendären Pirelli-Kalender in erotischen Posen fotografieren. Seit einigen Jahren aber dreht Sophia Loren nur noch wenig. Einen der letzten Auftritte hatte sie im Netflix-Film »Was würde Sophia Loren tun?«: die Begegnung mit einer US-amerikanischen Hausfrau, für die sie das große Vorbild ist.
Nun verbringt sie die meiste Zeit in ihrer Villa am Genfer See. Eine Restaurantkette trägt ihren Namen, und sie bringt auch Kochbücher heraus. Das gibt ihr Gelegenheit, auch in hohem Alter den über Jahrzehnte bewährten Spruch über die eigene Figur zu wiederholen: »Alles, was Sie sehen, verdanke ich Spaghetti.«
Vor einem Jahr, kurz nach dem 89. Geburtstag, zog sie sich bei einem Sturz in ihrer Villa mehrere Frakturen an der Hüfte zu und mußte operiert werden. Seither ist es recht still um sie. Im letzten Monat meldete sie sich dann aber doch wieder zu Wort, mit einem Interview in der Tageszeitung »Corriere della Sera«.
Darin ging es selbstverständlich auch um die Frage, wie ihr 90. Geburtstag aussehen werde. Die Antwort der Sophia Loren war sehr italienisch. »Meine Familie hält die Feierlichkeiten geheim. Aber ich bin mir sicher, daß es viel Liebe geben wird, viel Gelächter, Musik und gutes Essen.«