Ausland28. Juni 2022

Italien spürbar mit Folgen des Klimawandels konfrontiert:

Poebene gleicht einer Wüstenlandschaft

von Gerhard Feldbauer

Italien wird derzeit wegen des seit Monaten ausbleibenden Regens spürbar mit den Folgen des Klimawandels konfrontiert. Der ausgetrocknete, von aufgebrochener Erde gezeichnete Grund des Pos, mit mehr als 650 Kilometern Italiens längster Fluß und das größte Wasserreservoir des Landes, gleicht einer Wüstenlandschaft. Der Pegel ist gegenüber dem unteren hydrometrischen Nullpunkt im Vergleich zum 15. August 2021 um drei Meter und 30 Zentimeter gesunken, der Lago Maggiore um einen Meter. In der Lagunenstadt Venedig ist die Situation ebenfalls dramatisch, und auch der Como ist betroffen, berichtete am Wochenende die italienische Nachrichtenagentur ANSA.

»Pro Sekunde fließen durchschnittlich nur noch 300 Kubikmeter durch den Fluß«, teilte der Direktor der Flußbehörde, Meuccio Berselli, bereits am 22. Juni auf einer Pressekonferenz mit. Normalerweise sind es 1.800 Kubikmeter. Der Klimawechsel werde für Italien »zu einer ausgewachsenen Katastrophe«.

In der fruchtbaren, etwa 400 Kilometer langen Poebene in der Lombardei, die mit einer Fläche von gut 50.000 Quadratkilometern einen Großteil des norditalienischen Tieflandes bildet, werden unter anderem Getreide, Mais, Zuckerrüben, Gemüse, Obst und Wein angebaut. Vor allem aber ist die Pianura Padana um die Städte Novara und Vercelli das größte Reisanbaugebiet Europas. Für die Wasserversorgung der Landwirtschaft sorgte bisher der Po.

»Die Landwirte können kaum noch ihre Felder bewässern«, warnte der Bauernverband Confagricultura. Dort schätzt man, daß 30 bis 40 Prozent der Ernte vernichtet seien, außerdem Vieh geschlachtet werden müsse. Der Schaden betrage bereits mehr als zwei Milliarden Euro. »Der Klimawandel ist für alle sichtbar«, konstatierte der regionale Verbandschef Ercole Zuccaro. Lange Dürreperioden wechselten sich mit Extremwetter ab.

Der Zusammenhang mit dem Klimawandel liegt laut Experten auf der Hand. Seit fast vier Monaten habe es nicht mehr geregnet. Auf den milden, trocknen Spätwinter folgte ein Frühling mit Hitzewellen, die so früh einsetzten wie kaum je zuvor. Unter den Folgeschäden leide das Podelta besonders stark, sagte der Direktor des Konsortiums zum Erhalt des Podeltas, Giancarlo Mantovani. Die Schäden seien »bereits jetzt gewaltig«, der Boden gleiche einer Wüste. Durch den sinkenden Pegel fließe das Salzwasser aus dem Meer ins Flußbett und durchdringe die anliegenden, besonders fruchtbaren Böden. Über zehn Kilometer sei es bereits in die Poebene vorgedrungen. Im Umkreis von 200 Metern um das Flußbett wachse nichts mehr. Von den jährlich produzierten 93 Millionen Kilogramm Muscheln seien bereits 20 Prozent erstickt. Die Landwirtschaft werde das »nicht lange durchhalten«.

Auch den Kommunen – und somit den Privathaushalten – geht das Wasser aus. In 125 Gemeinden sind laut ANSA die Tanks leer, so daß Lkw aus anderen Regionen für Nachschub sorgen müssen. Bürgermeister erlassen bereits Verordnungen zur Rationierung und rufen auf, kein Wasser zum Blumengießen oder für die Autowäsche zu verwenden. In vielen Gemeinden darf Wasser nur noch für lebenswichtige Zwecke verbraucht werden. Während der Nacht ist die Wasserversorgung in manchen Städten ganz unterbrochen worden.

Einige Regionen im Norden haben von der Regierung die Ausrufung des Notstandes gefordert. Landwirtschaftsminister Stefano Patuanelli sagte am Wochenende laut ANSA: »Ich glaube, es ist unvermeidlich, wegen der Trockenheit einen Krisenzustand zu verhängen.« Noch vor der Entscheidung der Regierung hat der Präsident der Lombardei den Notstand ausgerufen, meldete die Nachrichtenagentur am Samstag.