Ausland15. Dezember 2021

Kein Tauwetter in der Arktis

Freude in Finnland über Kooperation mit Rußland, weil es den eigenen Interessen dient

von Christoph Hentschel

Nachdem Ende September die skandinavischen Länder Dänemark, Schweden und Norwegen ein Militärabkommen gegen Rußland unterzeichnet haben, freute sich der finnische Botschafter in Moskau, Antti Helanterä, über die anstehende Zusammenarbeit mit Rußland. Er sagte in Murmansk auf der 4. Internationalen Tagung zur Zusammenarbeit in der Arktis: »Ich bin froh, daß die Zeit unseres Vorsitzes mit der von Rußland im Arktischen Rat zusammenfällt. Es gibt viele Möglichkeiten der Zusammenarbeit während unserer Präsidentschaft. Aufgrund der Besonderheiten der Region wird die Bedeutung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in den Vordergrund gestellt.«

Finnland übernimmt 2022 den Vorsitz des Barentssee-Rates (Barents Euro-Arctic Council (BEAC), eines Zusammenschlusses der europäischen Arktisanrainer Rußland, Finnland, Schweden und Norwegen. Rußland leitet seit 2021 für zwei Jahre den Arktischen Rat, in dem – neben den europäischen Arktisanrainern – noch Dänemark (Grönland), Island, Kanada und die USA (Alaska) vertreten sind.

Finnland scheint hier gegen den Strom zu schwimmen, während sich die Front gegen Rußland immer weiter verhärtet. Der Schein trügt. Seit 2015 nehmen Abordnungen der NATO-Mitgliedstaaten an Manövern der finnischen Armee in Lappland, der nördlichsten Provinz Finnlands, teil. Finnland veranstaltet jedes Jahr gemeinsam mit Schweden und Norwegen das Manöver »Arctic Challenge Exercise«, in dessen Rahmen mehr als 100 Flugzeuge den Luftkrieg gen Osten üben. Die finnische Regierung begrüßte 2020 die NATO-Übung »Cold Response«, bei der finnische Soldaten auch mit Soldaten der deutsche Bundeswehr Krieg unter arktischen Temperaturen üben sollten. Das Manöver mußte aber wegen der Coronapandemie kurzfristig abgesagt werden.

Der finnische Staatspräsident Sauli Niinistö stieß Ende September dieses Jahres die Debatte über einen NATO-Betritt Finnlands an. »Die USA und die NATO arbeiten daran, den Norden zu kontrollieren«, sagt Tapio Siirilä von der Kommunistischen Partei Finnlands (SKP). Dabei hätten sie »den Weg der militärischen Gewalt gewählt, um die Spannungen in der Region zu erhöhen«.

Präsident Niinistö lobte auf einem Seminar des »Finnischen Instituts für Internationale Angelegenheiten« das »dichte Netz« von »Verteidigungs- und Sicherheitspartnerschaften« seines Landes mit der NATO und der EU, jedoch sei Finnland nicht »automatisch an allen Initiativen« beteiligt. Auch wenn die Beziehungen besonders zwischen der EU und Rußland »verkümmert« seien, forderte Niinistö einen Dialog in Kooperation mit der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Dabei gehe es »um die Kontrolle über die wirtschaftlichen und anderen Aktivitäten in der Arktis«, sagt Tapio Siirilä von der SKP. Finnland setzt aber nicht nur auf militärische Stärke.

Finnland geht es, wie seinen Partnern in der »Verteidigungs- und Sicherheitspolitik«, um das »Bergen der Rohstofflagerstätten und die zunehmende Befahrbarkeit der arktischen Seewege«, wie es in den »Leitlinien deutscher Arktispolitik« von 2019 heißt. Aber auch um Kooperation mit Rußland, um zum einen die über 1.300 Kilometer lange gemeinsame Grenze zu sichern und zum anderen die kontrollierte Migration von russischen Facharbeiterinnen und Facharbeitern nach Finnland sowie den Export von Fertigwaren von Finnland nach Rußland zu garantieren. Zudem engagiert sich die Volksrepublik China immer stärker in Finnland, seit es 2013 den Beobachterstatus im Arktischen Rat erhielt. China verfolge die Strategie, über kleinere Länder wie Finnland und Island Einfluß in der Arktis zu erlangen, warnt die staatsnahe deutsche Stiftung Wissenschaft und Politik.