Leitartikel03. August 2021

Aufbruchstimmung im »Hinterhof«

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Es gärt wieder einmal in einigen Ländern südlich der Grenzen der USA, dem Gebiet, das die Herrschaften in Washington seit der Verkündung der Monroe-Doktrin im Jahr 1823 als ihren Hinterhof betrachten. Als Präsident James Monroe seinerzeit vor dem USA-Kongreß die Grundzüge der Außenpolitik der USA darlegte, hatte seine Doktrin noch gewisse positive Züge, denn sie besagte, daß den alten Mächten Europas nicht gestattet werden sollte, erneut ihre Hände nach Kolonien auf dem amerikanischen Kontinent auszustrecken. Der Grundsatz »Amerika den Amerikanern« bezog sich seinerzeit auf ganz Amerika und alle Bewohner des amerikanischen Doppelkontinents. In der Praxis jedoch nahm diese Maxime bald eine andere Bedeutung an.

Der Begriff »Amerika« wurde nämlich rasch zum Synonym für die USA, die Vereinigten Staaten von Amerika, die jedoch nur einen relativ geringen Teil Amerikas und einen noch geringeren seiner Bevölkerung ausmachen. Und so trat schließlich der wesentliche Inhalt von Monroes Doktrin in den Vordergrund, der – kurz gefaßt – besagt, daß die USA zu entscheiden haben, was auf dem gesamten Kontinent passieren darf und was nicht.

Diese Doktrin bekam einen Schlag, als Ende der 1950er Jahre junger kubanische Revolutionäre von Mexiko aus nach Kuba aufbrachen und dort innerhalb kurzer Zeit eine Rebellenarmee bildeten, die in der Lage war, die Köpfe, Hände und Herzen der Mehrheit ihrer Landleute zu gewinnen und den von den USA ausgehaltenen Autokraten Batista mit Schimpf und Schande aus dem Land zu jagen. Als schließlich Fidel Castro öffentlich verkündete, daß die Kubanische Revolution einen sozialistischen Charakter annehmen werde, und als die Besitzverhältnisse auf der Insel – 90 Meilen vor der Küste der USA – vom Kopf auf die Füße gestellt wurden, läuteten in Washington und Umgebung sämtliche Alarmglocken.

Die USA unternahmen seitdem zahlreiche Versuche, dieser Revolution ein Ende zu bereiten – von einer bewaffneten Söldnerinvasion über Mordanschläge, Terror und Sabotage bis hin zu einer seit 62 Jahren bestehenden Wirtschafts- Handels- und Finanzblockade. Und sie bemühten sich, jeden Versuch in ihrem »Hinterhof«, dem kubanischen Beispiel zu folgen, im Keim zu ersticken. Beispiele dafür gab es in der Mehrzahl der Länder Lateinamerikas.

Zur Absicherung ihrer Vorherrschaft schufen sie zudem die »Organisation Amerikanischer Staaten«, OAS, die vor allem in den letzten Jahren immer mehr zu einem Instrument der Durchsetzung der Interessen der USA wurde, und zusätzlich weitere Zusammenschlüsse wie die »Lima-Gruppe«, die sich speziell der Sabotage einer eigenständigen Entwicklung in Venezuela widmet.

Doch in der jüngsten Zeit läuft es nicht mehr so richtig. In einigen Ländern südlich der USA kommen Kräfte an die politische Macht, die nicht nach der Pfeife der USA zu tanzen bereit sind. USA-hörige Regierungen in Argentinien, Bolivien, Peru und weiteren Ländern sind gescheitert, ähnliches steht in Chile und Brasilien bevor. Und nun zweifeln die Präsidenten Mexikos und Argentiniens in öffentlichen Reden an der Rolle der OAS, kritisieren sie als »Gendarm der USA« und fordern eine Organisation, die unabhängig von Washington agiert. Und mehrere Regierungen wagen es sogar, die Blockade gegen Kuba zu durchbrechen und Schiffe mit Hilfslieferungen nach Kuba zu schicken.

Die USA, die sich unter dem »demokratischen« Präsidenten Biden immer mehr auf einen möglichen Krieg mit China und womöglich auch Rußland konzentrieren, werden es schwer haben, dieser Aufbruchstimmung im »Hinterhof« etwas entgegenzusetzen.