Ausland18. September 2009

Exmaoist und Neoliberaler

Biographische Anmerkungen zum wiedergewählten Präsidenten der EU-Kommission

José Manuel Durão Barroso (geb. 1956) studierte Rechts- und Politikwissenschaften in Lissabon, Florenz und Genf. Nach seinem Abschluß in Genf arbeitete er zunächst an der Universität Lissabon, später an der Georgetown Universität in Wa-shington D. C. und der in Porto. Noch vor der portugiesischen Nelkenrevolution vom April 1974 engagierte sich Barroso politisch. Er war einer der Führer der PCTP-MRPP (Kommunistische Partei der portugiesischen Arbeiter – Reorganisierende Bewegung der Partei des Proletariats), einer maoistischen Gruppierung. Im Internet kursiert eine kurze Filmaufnahme, die Barroso im Jahr 1974 zeigt. Die Kommunistischen Partei Portugals (PCP) beschuldigte die PCTP-MRPP damals, vom US-Geheimdienst CIA unterwandert zu sein.

1980 trat Barroso mit einer gewissen Folgerichtigkeit in die Partido Social Democrata (PSD) ein, die entgegen ihrer Bezeichnung rechtsliberal und konservativ ausgerichtet ist und z.B. zusammen mit der CSV der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) im EU-Parlament angehört. Barroso machte nach dem Parteieintritt rasch Karriere: 1985 Unterstaatssekretär im Innenministerium, 1987 Staatssekretär für Äußeres, von 1992 bis 1995 Außenminister Portugals.

Von 2002 bis 2004 war Barroso Premierminister des Landes und unterstützte in dieser Funktion 2003 den völkerrechtswidrigen Irak-Krieg der USA und der »Koalition der Willigen«. Er trieb die Privatisierung von Staatsbetrieben voran und sorgte für scharfe Einschnitte bei den öffentlichen Ausgaben Portugals. Das alles, nicht zuletzt seine guten Beziehungen zur Bush-Administration, prädestinierten ihn offensichtlich für seine Nominierung als EU-Kommissionspräsident durch die Regierungschefs im Juli 2004. Deutschland und Frankreich setzten damals ihre Alternativvorschläge nicht durch.

Nach dem Sieg der EVP bei den Wahlen zum EU-Parlament am 7. Juni 2009 erklärte Barroso, er werde für eine zweite Amtszeit kandidieren. Die 27 Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten stimmten kurz darauf alle für seine Nominierung, dennoch kam seine Wiederwahl bei der Konstituierung des EU-Parlaments im Juli wegen des Widerstandes der Sozialdemokraten und der Grünen, die ihn als Neoliberalen bezeichneten, nicht zustande.

Barroso wehrte sich gegen die Charakterisierung mit der Bemerkung, er sei ein »Reformer der Mitte«. Mit der Wahl am Mittwoch hat sich das Schaugeplänkel seiner angeblichen Gegner unter den EU-Abgeordneten wohl erledigt.