Ausland07. Oktober 2025

Zwei Jahre nach dem 7. Oktober 2023:

Verhandlungen über Trumps »Friedensplan« beginnen in Ägypten

von Karin Leukefeld

USA-Präsident Donald Trump macht Druck. Wenn die Hamas nicht die Frist zur Annahme seines »Friedensplans« einhalte und alle 20 Punkte des Vorschlags aus dem Weißen Haus akzeptiere, werde »die Hölle über Gaza« hereinbrechen und auch über der Hamas.

Die »Hölle« erleben die Menschen im Gazastreifen seit zwei Jahren. Der 7. Oktober 2023 hatte in den frühen Morgenstunden mit einem »Ausbruch aus dem Gefängnis Gaza« begonnen, wie arabische Medien und die Bevölkerung, nicht nur die Palästinas, es beschrieben. Palästinensische Kämpfer konnten weitgehend ungehindert in israelische Überwachungsbasen und Grenzorte eindringen, die entlang der israelischen Grenzanlage des östlichen Gazastreifens liegen. Mit 251 Gefangenen kehrten sie zurück, um sie gegen palästinensische Gefangene in israelischen Gefängnissen auszutauschen. Die überwiegende Zahl von ihnen – 148 – kamen im November 2023 sowie im Februar und März 2024 bei Waffenstillständen frei.

Der Tag endete mit vielen Toten in israelischen Dörfern, israelischen Militärposten und unter fliehenden Festivalbesuchern. Auch palästinensische Kämpfer wurden getötet. Durch die vom israelischen Kriegsminister Yoav Gallant aktivierte »Hannibal-Doktrin« schossen israelische Truppen auf jeden und alles, was sich aus Israel in Richtung Gazastreifen bewegte und auf Häuser, wo palästinensische Kämpfer waren oder auch nur vermutet wurden. Unklar ist, wie viele der Toten auf israelischer Seite an dem Tag bei dem teilweise unkoordinierten Vorgehen der israelischen Armee durch »friendly fire« getötet wurden. Eine Untersuchung darüber steht aus.

Der israelische Gegenangriff auf den Gazastreifen begann am frühen Nachmittag des gleichen Tages. Er hatte wenig mit Verteidigung und sehr viel mit Rache zu tun. Die Art der eingesetzten Munition und auch die Menge an Munition, die zivilen Ziele, der Einsatz von Kampfjets, Artillerie und Kriegsschiffen in nahezu ununterbrochener Folge glich schon am ersten Tag einem Trommelfeuer.

Schon Ende Oktober 2023 wurden von verschiedenen UNO- und internationalen Organisationen mehr als 3.000 getötete Kinder gezählt, 825 Familien waren ganz ausgelöscht worden. Ende September 2025 wurde die Zahl der Toten offiziell mit mehr als 67.000 angegeben, mehr als die Hälfte davon Frauen und Kinder. Medizinische Recherchen unter anderen von der medizinischen Fachzeitschrift »The Lancet« gehen derweil von bis zu 180.000 Toten aus. Tausende liegen noch unter den Trümmern. Die Folgen des Krieges, so eine Untersuchung der Brown Universität in den USA, wird die Zahl der Toten wegen des Mangels an medizinischer Versorgung und sauberem Wasser weiter ansteigen lassen.

Indirekte Verhandlungen in Ägypten

Zwei Jahre später verhandeln Unterhändler der Hamas und Israels zum dritten Mal über einen Waffenstillstand und einen Gefangenenaustausch. Die Hamas hat sich bereiterklärt, die verbliebenen rund 40 Israelis – Lebende und Tote – an Israel zu übergeben, Israel soll im Gegenzug rund 2.000 palästinensische Gefangene freilassen.

USA-Präsident Trump hat seinem Sonderbeauftragten Steve Witkoff seinen Schwiegersohn Jared Kushner an die Seite gestellt. Der hatte in Trumps erster Amtszeit das Abrahams-Abkommen maßgeblich ausgehandelt, das von den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain und Marokko unterzeichnet worden war. Die Palästinenser hatte Kushner schon damals vergessen. Den Gazastreifen sah er im Frühjahr 2024 als »wertvoll für Bauvorhaben« an, wie er bei einer Diskussion an der Harvard-Universität ausführte. Kurz zuvor hatte Trump seine Idee von der »Riviera des Nahen Ostens« am Strand von Gaza präsentiert.

Auch wenn Trump und Kushner aus palästinensischer Sicht nicht an ihren Rechten sondern nur an ihrem Land interessiert sind, werden die Verhandlungen beginnen. Trumps Außenminister Marco Rubio sagte, er hoffe auf eine schnelle Einigung. Die Hamas habe die Vorschläge für eine Nachkriegsordnung in Gaza grundsätzlich akzeptiert. Im Mittelpunkt der Verhandlungen dürfte das Procedere stehen, wo und wie die gefangenen Israelis übergeben und im Gegenzug 2.000 palästinensische Gefangene freigelassen werden sollen.

Teufel sitzt im Detail

Wie wird der Abzug der israelischen Truppen aus dem Gazastreifen vollzogen? Was ist mit einer von Israel beanspruchten »Pufferzone«, die sich – so die israelische Seite – innerhalb des Gazastreifens befinden soll. Wird Israel seine Besatzung in Ostjerusalem und im Westjordanland aufgeben? Und schließlich: werden die Kriegsverbrechen der israelischen Armee untersucht und aufgeklärt, wird es Entschädigungen geben? Und noch eine Frage bleibt: Was geschah am 7. Oktober 2023 wirklich? Zudem ist die Angst in der Region groß, daß Israel nach der Übergabe der israelischen Gefangenen und Toten einen oder auch mehrere seiner Kriege fortsetzen wird: gegen Libanon, in Syrien, gegen Jemen und gegen Iran.

Die Verhandlungen werden indirekt abgehalten, die Delegationen sprechen nicht direkt miteinander und begegnen sich auch nicht. Die jeweiligen Positionen werden durch Unterhändler aus den USA, Katar und Ägypten übermittelt.

Ron Dermer als Bindeglied

Die israelische Delegation wird von Ron Dermer geleitet, Minister für strategische Angelegenheiten im Netanjahu-Kabinett. Er gilt als einer der engsten Berater des Premiers. Der 54-Jährige wurde in Miami Beach, Florida geboren und entwickelte Berichten zufolge schon früh enge Kontakte zu der Republikanischen Partei. Von 2013 bis 2021 war er Botschafter Israels in den USA.

Israelische Medien berichteten, Dermer habe während Trumps erster Präsidentschaft eine führende Rolle bei den Verhandlungen für die Abraham-Abkommen gespielt. Das sogenannte Normalisierungsabkommen mit Israel war 2020 von den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain und Marokko unterzeichnet worden. Nach dem politischen Umbruch in Syrien Anfang Dezember 2024 hatte Dermer – vermutlich als israelisch-US-amerikanisches Bindeglied – ein neues Sicherheitsabkommen über die Golanhöhen zwischen Israel und den neuen Machthabern in Damaskus ausgehandelt.

Dermer übernahm die Führung bei den Verhandlungen für die Freilassung der israelischen Gefangenen aus dem Gazastreifen im Februar 2025, als ein Waffenstillstand unterzeichnet worden war. Seine Vorgänger, Mossad-Chef David Barnea und der Chef des Inlandsgeheimdiensts Shin Bet, Ronen Bar, waren von Netanjahu entlassen worden. Dermer hat sich seit Übernahme der Verhandlungen eng an die Vorstellungen Netanjahus gehalten, berichtet die »Times of Israel« Anfang Oktober in einem längeren Bericht. Keiner der israelischen Gefangenen – nicht tot und nicht lebend – kam unter seiner Verhandlungsleitung frei. Die Familienangehörigen der Gefangenen werfen ihm vor, keinen Plan dafür vorgelegt zu haben.

Nach dem Angriff Israels auf Iran im Juni 2025 hatte Dermer erstmals von seinem Rückzug aus der Netanjahu-Regierung gesprochen. Seit August berichten israelische Medien und vor wenigen Tagen wurde Dermers Rückzug von Netanjahu bei einer Kabinettssitzung bestätigt, berichtete die »Times of Israel«.

Khalil al-Hayya überlebte israelischen Angriff in Doha

Die palästinensische Delegation wird von Khalil al-Hayya geleitet, dem höchstrangigen Hamas-Vertreter, der außerhalb von Gaza noch lebt. Al-Hayya wurde 1961 in Gaza-Stadt geboren und gehört dem Politbüro der Hamas sowie seit 2006 dem Palästinensischen Legislativrat, dem Parlament der palästinensischen Gebiete und dem der Autonomiebehörde, an. Der erfahrene Unterhändler verhandelt nicht nur mit den USA und Israel, sondern hält auch enge Kontakte mit arabischen und muslimischen Staaten, um deren Unterstützung zu sichern. Al-Hayya war wiederholt von Israel inhaftiert und überlebte mehrere Mordversuche. Anfang September überlebte er den israelischen Angriff auf ein Wohn- und Bürohaus in Katars Hauptstadt Doha. Bei dem Angriff wurde sein Sohn Homam getötet und auch der Büroleiter von Al-Hayya, Johad Labad. Während des Krieges hat Al-Hayya viele Angehörige seiner Familie in Gaza verloren.

Der katarische Nachrichtensender Al Jazeera zeigte Aufnahmen von Al-Hayya vor seiner Abreise nach Ägypten, in denen er sagte: »Wenn ich sehe, wie jeden Tag das Morden und die Zerstörung in Gaza weitergehen, vergesse ich den Schmerz über den Verlust meiner Kinder und Angehörigen.«

Während die Delegationen beider Seiten nach Kairo gereist sind, gingen die Angriffe der israelischen Armee im Gazastreifen weiter. Die anhaltende Bombardierung durch Kampfjets und Panzer wurde von der israelischen Armeeführung damit erklärt, daß man sich gegen »Hamas-Terroristen« verteidigen müsse. In Gaza-Stadt zerstöre man Tunnelanlagen, wofür militärischer Schutz nötig sei. Zudem habe man palästinensische Kämpfer angegriffen. Ein israelischer Soldat sei verletzt worden, als eine Handgranate ihn getroffen habe, so das Pressebüro der israelischen Armee.

Gaza-Flottille

Internationale Kritik und Massenproteste weltweit hatte am Wochenende das Entern der Gaza-Flottille durch die israelische Kriegsmarine und Sondereinsatzkommandos ausgelöst. 450 Aktivisten aus 44 Ländern wurden verhaftet, inhaftiert und später per Flugzeug nach Italien, Spanien und in die Türkei abgeschoben.

Die mehr als 50 Schiffe befanden sich in internationalen Gewässern vor der ägyptischen Küste noch 130 Kilometer von der Küste des Gazastreifens entfernt, als die ersten Schiffe geentert und die Passagiere verschleppt wurden. Die Boote wurden von israelischen Soldaten in den israelischen Hafen Aschdod gesteuert. Während die Passagiere in den Booten mit erhobenen Händen und mit Schwimmwesten bekleidet an Deck saßen, hatten schwerbewaffnete israelische Soldaten die Schiffe geentert. Teilweise wurden Wasserwerfer gegen die Boote eingesetzt.

Alle inhaftierten Friedensaktivisten berichteten von Schlägen, mangelnder Versorgung, Verhöhnung bis hin zu erzwungenen Ehrbezeugungen vor der israelischen Fahne. Einige der Festgenommenen beschrieben, daß sie stundenlang kniend mit gesenktem Kopf und gefesselten Händen ausharren mußten. Andere sagten, sie hätten Toilettenwasser trinken müssen.

Besondere Erniedrigung und Verhöhnung widmeten die israelischen Sicherheitskräfte der schwedischen Friedensaktivistin Greta Thunberg, die bereits zum zweiten Mal bei einer Gaza-Flottille verhaftet worden war. Sie habe keine Angst vor Israel, erklärte Thunberg in einem vorbereiteten Video im Falle ihrer Festnahme. Sie habe Angst vor einer Welt, die keine Menschlichkeit mehr kenne und nichts gegen das Leid der Menschen in Gaza unternehme.

Obwohl die überwiegende Mehrheit der Menschen an Bord der Gaza-Flottille Angehörige von EU-Staaten waren, darunter Abgeordnete nationaler Parlamente, ignorierte EU-Europa den Angriff der israelischen Marine in internationalen Gewässern. Weder Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen noch die Außenbeauftragte Kaja Kallas veröffentlichten eine Erklärung. Einige Regierungen von EU-Staaten forderten Israel auf, die Sicherheit der Passagiere der Gaza-Flottille zu gewährleisten. Spanien bestellte den israelischen Geschäftsträger ein.