Luxemburg24. November 2021

Immer länger arbeitslos

Mittlerweile ist mehr als die Hälfte der ansässigen Arbeitslosen seit einem Jahr und länger bei der Adem gemeldet – Das hat oft auch gravierende gesundheitliche Folgen

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Von den offiziell 15.417 im Land ansässigen Männern und Frauen, die Ende Oktober arbeitslos waren, ist mittlerweile mehr als die Hälfte (7.955 Personen oder 52 Prozent) seit einem Jahr oder länger bei der »Agence pour le développement de l'emploi« (Adem) eingeschrieben. Bereits in ihrem vergangene Woche veröffentlichten Avis zum Regierungsentwurf für das Staatsbudget 2022 hatte die Salariatskammer (CSL) darauf hingewiesen, daß im ersten Jahr der Coronaviruspandemie (März 2020 bis März 2021) auch bislang weitgehend verschont gebliebene Gesellschaftsteile – und insbesondere Frauen jeden Alters – von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen waren. Dabei sei der größte Anstieg (fast zehn Prozent) bei Frauen im Alter von 30 bis 44 Jahren beobachtet worden.

Vor diesem Hintergrund erinnert die CSL an die letzten makroökonomischen Prognosen des Statec, der davon ausgeht, daß die Arbeitslosenrate von 5,4 Prozent am Stichtag 31. Oktober bis Ende 2025 auf 6,9 Prozent steigen wird, und das davon ausgegangen wird, daß der Anteil der Langzeitarbeitslosen unter allen bei der Adem gemeldeten Männern und Frauen weiter zunehmen wird.

Es ist aber bekannt, daß Langzeitarbeitslosigkeit in unserer kapitalistischen Gesellschaft nicht nur eines der größten Armutsrisiken ist, sondern daß sie darüber hinaus mit gravierenden Folgen für die körperliche und geistige Gesundheit sowie die gesellschaftlich-kulturelle Teilhabe der Betroffenen und ihrer Familien einhergeht. So sind Arbeitslose im Verhältnis zu Erwerbstätigen unter anderem doppelt so häufig betroffen von Krankheit, Spitalsaufenthalten oder einer Behandlung mit Psychopharmaka.

Wer sogar länger als zwei Jahre arbeitslos ist, bei dem steigt das Sterblichkeitsrisiko laut einem Bericht des Berufsverbands Deutscher Psychologinnen und Psychologen auf das 3,8-Fache gegenüber in Beschäftigung stehenden Menschen. Bereits 2008 wurde in den USA eine Langzeitstudie veröffentlicht, die empirisch nachwies, daß Arbeitslose unabhängig von anderen Faktoren wie zum Beispiel Rauchen, Übergewicht und Diabetes einem rund zweieinhalb mal höheren Risiko für Schlaganfälle und Herzinfarkte ausgesetzt sind als arbeitende Gleichaltrige.

Hinzu kommt, daß mit der Dauer der Arbeitslosigkeit der Grad der »Entqualifizierung« (also der Entwertung der bislang erlangten Berufsqualifizierung) ansteigt, was die Chance auf eine neue Anstellung noch unwahrscheinlicher macht. In vielen Fällen wirkt sich Erwerbslosigkeit auch auf die folgenden Generationen aus, denn die Kinder von Arbeitslosen, insbesondere die von Langzeitarbeitslosen, haben schlechtere Chancen, geistig und körperlich gesund aufzuwachsen als ihre Mitschüler.

Ältere Arbeitslose beiderlei Geschlechts, die jahrelang an eine feste Arbeitsstruktur gewöhnt waren, und alleinstehende Männer, die vermehrt zu Isolation neigen, sind wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge stärker von den psychischen Folgen der Erwerbslosigkeit betroffen. Die Folgen können Depressionen, Suchterkrankungen sowie eine durch Hoffnungslosigkeit und Lebensunlust erhöhte Suizidneigung sein. So kann es zum Abbruch von sozialen Kontakten kommen. Besonders bei Jugendlichen ist Arbeitslosigkeit gefährlich, weil ihnen dabei ein wesentliches Mittel zur Identitätsentwicklung fehlt.