Luxemburg11. Dezember 2021

Zu einigen Aspekten der Arbeit der Konsumentenschutzorganisation ULC

»Die Verteidigung der Interessen der Konsumenten liegt uns am Herzen«

Fünf Fragen an ULC-Präsident Nico Hoffmann

von Ali Ruckert

Aus Anlass des 60. Jahrestags der Gründung der Konsumentenschutzorganisation ULC, der am 14. Dezember 2021 mit einer akademischen Sitzung begangen wird, unterhielt sich die »Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek« mit Nico Hoffmann, Präsident der »Union Luxembourgeoise des Consommateurs« zu einigen Aspekten der Arbeit der Vereinigung, in deren Mittelpunkt die individuelle Beratung und die Verteidigung der Rechte der Konsumenten steht.

 

Zeitung: Die Abteilung Rechtsstreitigkeiten (»Service contentieux«) ist das Herzstück der ULC und damit die Abteilung, die seitens der Konsumenten am meisten in Anspruch genommen wird…

Nico Hoffmann: Das stimmt absolut. Im vergangenen Jahr führte die Abteilung mehr als 50.000 Telefonate und befasste sich mit rund 15.000 E-Mails. Auch wenn die Zahl der juristischen Konsultationen in unserer Zentrale in Howald wegen der Corona-Krise stark zurückging und die Beratungen in den ULC-Büros in Bonneweg, Esch/Alzette und Ettelbrück ganz eingestellt werden mussten, so ging uns die Arbeit nicht aus, denn unsere Mitarbeiter behandelten insgesamt 5.313 Streitfälle, die an die ULC herangetragen wurden, 121 mehr als ein Jahr zuvor.

Fast die Hälfte der Streitfälle betraf Angelegenheiten aus den Bereichen Baurecht, Bauhandwerk und Wohnungen, darunter allein 747 im Zusammenhang mit Mietverträgen, bei weiteren 226 sahen sich Konsumenten beim Kauf oder bei der Reparatur von Autos ungerecht behandelt. Nicht alle Streitfälle gehen auf das Fehlverhalten von Vertragspartnern zurück, sondern sind unklaren Gesetzesvorgaben geschuldet.

In allen Fällen ist die ULC jedenfalls bemüht, im Interesse der Konsumenten eine Einigung zu erzielen, zu vermitteln und zu schlichten und somit teure Gerichtsprozeduren zu verhindern. Dazu gehört, dass die technischen Inspektoren der ULC im vergangenen Jahr insgesamt 866 Ortsbesichtigungen vornahmen und die Juristen der ULC immer alles daransetzten, um Probleme im Rahmen einer Schlichtung zu lösen. In lediglich 45 von 5.313 Streitfällen gelang das nicht, so dass man sagen kann, dass die Arbeit unserer 27 Mitarbeiter, von denen 15 der Abteilung Rechtsstreitigkeiten angehören, sehr erfolgreich ist.

 

Zeitung: Ein Dossier, das der ULC besonders am Herzen liegt, ist die Kaufkraft der Lohnabhängigen, die in den vergangenen Jahren stark gelitten hat. Welche Forderungen stellt die Konsumentenschutzorganisation in diesem Bereich?

Nico Hoffmann: Wir stellen fest, dass die Kaufkraft vieler Mensch zurückging. Besonders krass sind die Preiserhöhungen zum Beispiel bei Heizöl und Gas, doch auch viele Lebensmittel und Konsumgüter des täglichen Gebrauchs wurden teurer. Wir bedauern zum Beispiel aber auch, dass die CO2-Steuer, die zum 1. Januar 2021 in Kraft trat und zum 1. Januar 2022 und 2023 ein weiteres Mal erhöht werden soll, nicht im Indexwarenkorb berücksichtigt wurde.

Das belastet insbesondere die Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen, die beim Einkauf ganz genau hinschauen müssen. Das erinnert mich unwillkürlich an eine Kampagne, welche die ULC lange Zeit unter dem Motto »d’Aen op oder de Beidel« führte. Das gilt natürlich für den Preis ebenso wie für die Qualität, auf welche beim Einkauf zu achten ist.

Um den schleichenden Preiserhöhungen entgegenzuwirken und die Kaufkraft zu stärken, fordert die ULC unter anderem die Wiedereinführung einer Vorschussindextranche.

Die Kaufkraft vieler Menschen wird natürlich auch durch die massive Erhöhung der Kaufpreise für Wohnungen und der Mieten stark in Mitleidenschaft gezogen. Hier müsste eine Bremse eingelegt werden, den Spekulanten und Immobilienhaien müsste auf die Finger geklopft werden. Vor allem aber müssten in großem Umfang bezahlbare Wohnungen gebaut werden.

 

Zeitung: Wären da nicht auch Steuersenkungen notwendig, um die Kaufkraft zu stärken?

Nico Hoffmann: Ganz sicher. Die Steuerreform von 2017 ging wohl in die richtige Richtung, indem sie für viele Lohnabhängige und Rentner zu Steuersenkungen führte, doch bis zur Steuergerechtigkeit ist noch ein langer Weg. Auch wenn jetzt, anders als angekündigt, keine große Steuerreform kommt, müssten punktuelle Maßnahmen möglich sein, die dazu beitragen könnten, die Kaufkraft vieler Menschen zu stärken.

Prinzipiell tritt die ULC unter anderem dafür ein, dass Mindestlohnbezieher keine Steuern bezahlen, die Steuerzahler aus den Steuerklassen 1 und 1A, die überdurchschnittlich viele Steuern bezahlen, entlastet werden, die Steuerzahler aus der Steuerklasse 1A in Steuerklasse 2 übernommen werden und vor allem die Steuertabellen an die Inflation angepasst werden. Weil das seit 2012 nicht mehr der Fall ist, steigen mit jeder Indextranche die Steuern.

Besonders ärgerlich ist, dass die Preise in den Alten- und Pflegeheimen indexgebunden sind und dass die Pensionäre, wenn ihre Rente an die Preisentwicklung angepasst wird, deutlich höhere Pensionspreise zahlen müssen, so dass sie im Endeffekt nicht mehr, sondern weniger Rente haben. Das ist mehr als ungerecht, umso mehr es noch immer Einrichtungen gibt, in denen die Pensionäre trotz der hohen Preise nicht einmal eine Toilette oder eine Dusche im Zimmer haben.

 

Zeitung: Seit Jahren schließen die Banken, die Staatssparkasse und die Post immer mehr Filialen und erhöhen gleichzeitig die Gebühren für die üblichen Transaktionen wie Überweisungen, Geldeinzahlungen oder Abhebungen. Die ULC gehört zu jenen Organisationen, die dies kritisieren, und spricht von einer unsozialen Entwicklung …

Nico Hoffmann: Wir haben in der Vergangenheit immer wieder gegen die Schließung von Bank- und Postfilialen protestiert, weil damit in zunehmendem Maße die Möglichkeit eingeschränkt wird, um die gängigen Bank- oder Postgeschäfte im nahen Umfeld zu tätigen. Selbst Bankautomaten fallen inzwischen diesen Rationalisierungsmaßnahmen zum Opfer, so dass es oft schwierig ist, überhaupt Bargeld abzuheben. Das ist für viele Menschen sehr ärgerlich, besonders aber für ältere Menschen, die Schwierigkeiten mit Onlinebanking haben und oft auf die Hilfe von Schalterpersonal oder Familienangehörigen angewiesen sind.

In unseren Augen ist das eine unsoziale Entwicklung, weil sie vielen Menschen das Leben erschwert, so wie es auch eine Gemeinheit ist, dass die Gebühren für Überweisungen, Geldeinzahlungen oder Abhebungen inzwischen unverschämt hoch sind. Oder ist es normal, dass man für zwei Überweisungen am Schalter 14 Euro Gebühren entrichten muss? Leider tat die Regierung bisher nichts, um dem entgegenzuwirken. Man glaubt wohl, keine Rücksicht mehr auf die Bedürfnisse vieler Menschen, und erst recht nicht der älteren Menschen, nehmen zu müssen.

 

Zeitung: Die ULC fordert seit langem ein Gesetz, das es ihr erlauben würde, im Namen aller Verbraucher, die durch eine illegale Praxis oder einen illegalen Vertrag geschädigt wurden, Wiedergutmachung zu fordern. Ist abzusehen, dass demnächst ein solches Sammelklagengesetz in Kraft treten wird?

Nico Hoffmann: In einer Reihe von EU-Ländern, darunter Belgien, sind Sammelklagen bereits gesetzlich abgesichert und erweisen sich als sehr nützlich. Hierzulande wurde ein entsprechender Gesetzesentwurf endlich im August 2020 deponiert, und wir warten darauf, dass die Veränderungen am Gesetzestext, die aufgrund einer EU-Direktive notwendig sind, schnellstens erfolgen. Bleibt die Frage, ob auch die von der ULC angeregten Verbesserungen im Gesetzestext berücksichtigt werden.

Wichtig ist nicht nur, dass Verbraucher rechtzeitig und umfangreich informiert werden müssen, wenn ein Haftungsurteil ergeht, so dass sie einer Sammelklage innerhalb einer bestimmten Frist nach Erhebung der Klage noch beitreten können, und das, ohne irgendwelche größeren Gebühren bezahlen zu müssen, und dass die Einführung staatlicher Beihilfen für die Finanzierung von Verbrauchersammelklagen gesetzlich verankert wird. Auch das ist eine Forderung der ULC, die in den Gesetzesentwurf aufgenommen werden muss, ansonsten das Gesetz ein Papiertiger bleiben wird.

Zeitung: Vielen Dank für das Gespräch und Gratulationen zum 60. Jahrestag der Gründung der ULC.

Das Gespräch führte Ali Ruckert