Ausland29. Mai 2010

Keine Feststimmung zum franco-afrikanischen Gipfel

50 Jahre Unabhängigkeit ehemaliger Kolonien Frankreichs

Das 25. franco-afrikanische Gipfeltreffen der Staats- und Regierungs­chefs, das Anfang kommender Woche in Nizza stattfindet, sollte turnusmäßig eigentlich in Ägypten abgehalten werden. Das Meerbad Scharm El-Scheich war dafür vorgesehen, doch dorthin wäre auch der sudanesische Präsident Omar Al-Baschir gekommen, gegen den ein internationaler Haftbefehl wegen seiner Verantwortung für den Bürgerkrieg gegen die Minderheitsbevölkerung der Provinz Darfur vorliegt.

Wie die meisten afrikanischen und arabischen Länder, so erkennt auch Ägypten diese Anklage nicht an, während Frankreich zu den Initiatoren eines Verfahrens gegen Al-Baschir vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) gehört. Ihm wollte Präsident Nicolas Sarkozy keinesfalls begegnen und darum hat er seinen ägyptischen Amtskollegen Muhammad Husni Mubarak überzeugt, auf die Ausrichtung des Gipfels zu verzichten und der kurzfristigen Verlegung nach Nizza zuzustimmen. Dorthin wird sich Al-Baschir nicht wagen, weil ihm dann die sofortige Verhaftung droht.

Aber auch das Hauptthema dieses Jubiläumsgipfels, die 50 Jahre zurückliegende Entlassung von 14 französischen Kolonien in Afrika in die Unabhängigkeit, läßt keine rechte Feststimmung aufkommen. Zu unterschiedlich ist die Sicht auf die Vergangenheit und der Anspruch an die heutigen Beziehungen zwischen beiden Seiten. Das war schon vor Wochen bei den Feierlichkeiten in der senegalesischen Hauptstadt Dakar deutlich geworden, als in der Parade eine Formation der im Lande stationierten französischen »Légion étrangère« mitdefilierte. In der Öffentlichkeit des Landes waren die Reaktionen darauf oft heftig und verbittert.

Noch kritischer wurde Sarkozys Einladung an Soldaten der ehemaligen Kolonien aufgenommen, am 14. Juli an der Parade auf den Champs-Elysées teilzunehmen. »Das ist, als ob man eine Scheidung feiern wollte«, erklärte etwa der Rundfunkkommentator Joachim Vokouma. »Muß man daran erinnern, wieviel Tod und Elend der Kolonialismus gebracht hat und daß die ehemaligen Kolonien bis heute – wenn auch subtiler – für die Interessen Frankreichs ausgeplündert werden? Der Sklavenhalter feiert die Freiheit seiner ehemaligen Sklaven, die er weiter an der Kette hält!«

Zudem hätten die Armeen, die da am französischen Nationalfeiertag in Paris mitparadieren sollen, oft eine unrühmliche Rolle bei der Unterdrückung der eigenen Bevölkerung und bei der Festigung der Herrschaft skrupelloser Diktatoren gespielt. Nabbi Ibrahimm Souma, ein renommierter Jurist aus Guinea, schätzte ein: »So feiert man gewissermaßen die doppelte Ausplünderung der Afrikaner – erst durch den Kolonialismus und dann durch die Krake ‚Franceafrique’, die zynische Interessenverquickung zwischen den Herrschenden in Frankreich und den ehemaligen Kolonien.«

In der senegalesischen Zeitung »Walfadjiri« fragte der Kommentator Abdou Rahmane Mbengu: »Was haben wir aus diesen 50 Jahren gemacht? Ist der Zustand unserer Länder nicht eher Anlaß zur kritischen Selbstbesinnung als zum Feiern?« Es wird auch angemerkt, daß das Jubiläum oft dazu dient, die Geschichte umzuschreiben. So wird in Kamerun, wo die Unabhängigkeit durch einen opferreichen Kampf gegen die Kolonialmacht errungen wurde, die Rolle der seinerzeitigen Befreiungsorganisation und ihres Generalsekretärs Ruben Um Nyobé durch die heutigen Machthaber, die dieses Erbe verraten haben, totgeschwiegen und die Erinnerung daran verfolgt.

Ralf Klingsieck, Paris