Leben und kläglicher Tod von Ferdinand Lassalle
In diesen Tagen wurde des vor 200 Jahren am 11. April1825 in den Wirren des Krieges Preußens und Österreichs gegen Dänemark um den Besitz der Herzogtümer Schleswig und Holstein geborenen Ferdinand Lassalle gedacht. Im Mittelpunkt stand dabei seine Rolle als Gründer des Allgemeinen Deutschen Arbeiterbildungsvereins.
Daß er am 31. August 1864 bei einem Schußwechsel einen kläglichen Tod fand, wurde kaum näher betrachtet. Er starb nach drei Tagen qualvoller Schmerzen an den Folgen eines Duells. Diese Zweikämpfe fanden meist im Morgengrauen auf Lichtungen von Wäldern statt. So war es jedenfalls bei Lassalle, der mit seinem Gegner, einem rumänischen Bojaren, dem er die Verlobte ausgespannt hatte, am 28. August in einem Wald der Genfer Vorstadt Carouge aufeinander traf. Der gehörnte Adlige zielte und traf genau die Körperteile, mit denen Lassalle seine »Ehre« verletzt hatte.
Lassalles Tod war die fast logische Konsequenz einschneidender charakterlicher wie auch politischer Auffassungen, die sein Leben und Handeln bestimmt hatten. 1825 als Sohn eines reichen jüdischen Kaufmanns in Breslau geboren, hieß er eigentlich Lassal, hatte aber seinen Namen in Paris in die französische Form Lassalle umschreiben lassen. Er galt nicht nur als ein brillanter Redner, man sagte ihm auch überzogenen Ehrgeiz, Besessenheit und maßlose Eitelkeit nach. Vor allem aber stand der mit einer ausgesprochen schönen Männergestalt ausgestattete Politiker im Ruf eines erfolgreichen Frauenverführers. Wie dem biografischem Roman »Lassalle« von Stefan Heym zu entnehmen ist, zählten zu seinen Eroberungen Damen der besten Gesellschaft, ebenso wie Töchter des Proletariats und Mädchen aus der Halbwelt.
Man könnte meinen, der Gründer des Deutschen Arbeiterbildungsvereins habe ein Doppelleben geführt. Ferdinand Lassalle förderte die selbständige politische Organisation des deutschen Proletariats, blieb aber Zeit seines Lebens ein kleinbürgerlicher Sozialist, der Zugang zu den Herrschenden suchte, vornehmlich ihrer adligen Kreise. 1846 lernte er die 20 Jahre ältere Gräfin Sophie von Hatzfeld kennen. Während er als Demokrat an der Revolution 1848/49 teilnahm, führte er für die Gräfin von 1846 bis 1854 als Rechtsbeistand und Generalbevollmächtigter ihren Scheidungs- und Vermögensprozeß, den er gewann. Die Gräfin gewährte ihm dafür eine Jahresrente von 5.000 Talern, was damals ein kleines Vermögen darstellte und ihm ein recht sorgenloses Leben sicherte.
Wie es zu dem für Lassalle tödlichen Duell kam, könnte einem Roman von Courths-Mahler entnommen sein, wenn es nicht historisch belegt wäre. Als der 39-jährige Lassalle Anfang 1864 während eines Kuraufenthalts in der Schweiz die 20 Jahre jüngere schöne Helene von Dönniges kennenlernte, hatte er schon unzählige Liaisons hinter sich und war einige Male bereits dem Risiko eines Duells nahe gewesen. Helene, Tochter eines Schweizer Diplomaten in Diensten Bayerns, verliebte sich unsterblich in den »feurigen Revolutionär«, der von ihr nicht weniger angetan war und sie heiraten wollte. Zum Pech für Lassalle war die Geliebte bereits mit dem rumänischen Bojaren Janko von Racowitja verlobt. Nicht nur deshalb, sondern auch weil die Eltern Helenes den Bewerber aus »dem Volk«, den »Arbeiter«, nicht in ihre Kreise passend sahen, wurde sein Antrag um die Hand der Tochter zurückgewiesen.
Helene floh zu ihrem Angebeteten und verlangte von ihm, sie nach Frankreich zu entführen, um die Eltern vor vollendete Tatsachen zu stellen. Ein solches Abenteuer schien Lassalle nun doch nicht Aristokratengemäß und er brachte sie zu ihrer Mutter zurück. Zutiefst enttäuscht wandte sich Helene von ihm ab, ließ ihren Bojaren wieder zu sich ins Bett und schrieb Lassalle, daß sie dem Verlobten »ewige Treue und Liebe« schwöre. Lassalle war öffentlich der Lächerlichkeit, Hohn und Spott ausgesetzt Zutiefst beleidigt und in seiner Eitelkeit getroffen forderte er vom Vater der einstigen Geliebten Satisfaction. Um dem Nachdruck zu verleihen, beschimpfte er Helene nun »eine verworfene Dirne«. Die nach Genf geeilte Gräfin Hatzfeld versuchte vergeblich, ihren »großen, wunderbaren, geliebten Jungen« zu einer gütlichen Beilegung der verworrenen Angelegenheit zu überreden, zu der selbst der davon in Kenntnis gesetzte bayerische Außenminister und Vorgesetzte des Diplomaten dem Herrn von Dönniges riet.
Von Dönniges lehnte ab und übertrug die Vertretung der Familienehre dem künftigen Schwiegersohn Racowitja, mit dem Lassalle dann am 28. August im Wald von Carouge zum Pistolenduell zusammentraf. Lassalle zeigte nochmals Zugehörigkeit. Seine Sekundanten waren ein Oberst und ein General a.D. Der Ausgang wurde bereits geschildert. Die alte Freundin Gräfin Hatzfeld harrte bis zum Ende an seinem Totenbett aus.