Gespräch mit den OGBL-Sekretären Christian Sikorski und Milena Steinmetzer zum Kollektivvertrag der Südgemeinden
»Wir wollen sozialen Fortschritt durchsetzen«
Der Kollektivvertrag der Arbeiter der Südgemeinden gehörte lange Zeit zu den fortschrittlichsten im Land, aber innerhalb der vergangenen zehn Jahre gab es starke Bestrebungen seitens der kommunalen Führungen, bisherige Zugeständnisse zurückzunehmen, Anfangsgehälter zu kürzen und dem Patronat aus der Privatwirtschaft nachzueifern, das kollektivvertragliche Errungenschaften in Frage stellt und die Lohn- und Arbeitsbedingungen der Schaffenden verschlechtern will.
Dank des gewerkschaftlichen Einsatzes konnte Anfang 2017 ein Kollektivvertrag für die Lohnabhängigen der Südgemeinden unterzeichnet werden, mit dem soziale Verschlechterungen weitgehend verhindert wurden, auch wenn es Einschnitte gab. Zudem wurde anschließend die Anpassung an die Gehälterabkommen im öffentlichen Dienst von 2015 und 2016, die eine Erhöhung der Sonderzulage, bessere Einstiegslaufbahnen und eine vollständige Anrechnung der Vordienstzeiten bedeuten, nicht vorgenommen.
»Ein Schlag ins Gesicht von 2.000 Beschäftigten«
Die Erneuerung des Kollektivvertrags, die gegenwärtig auf der Tagesordnung steht und am 6. Juni verhandelt wird, gestaltet sich kompliziert, da die Bürgermeister der Südgemeinden erst lange Zeit schwiegen, bevor sie den Gewerkschaften am 14. Mai 2021 in einem Brief mitteilten, sie seien lediglich bereit, über einen Teil der gewerkschaftlichen Forderungen zu reden und hätten sich auf ein Verhandlungspaket geeinigt, welches maximal ein Prozent der Gesamtlohnkosten ausmache. Zusätzliche Prämien wie etwa die Zulage nach 20 Dienstjahren, welche die Gewerkschaften fordern, lehnen die Bürgermeister ohnehin ab.
Die Gewerkschaften sprachen in diesem Zusammenhang von einem »Schlag ins Gesicht« der rund 2.000 Beschäftigten, die unter den Kollektivvertrag fallen.
Darüber sprach die »Zeitung« mit Christian Sikorski, Zentralsekretär des OGBL im Bereich öffentlicher Dienst, und Milena Steinmetzer, stellvertretende Zentralsekretärin.
Die zwei Gewerkschafter stellten sofort klar, dass sie nicht bereit sind, sich von der Patronatsseite vorschreiben zu lassen, nur über einen Teil der gewerkschaftlichen Forderungen zu diskutieren und erst recht keinen Verschlechterungen zustimmen werden. »Für uns ist eine Abschaffung des »surplus congé«, wie das vom Patronat gefordert wird, inakzeptabel«, so Christian Sikorski. Der Gewerkschafter hat ausgerechnet, dass die Lohnabhängigen mit der Neuregelung, wie sie der Patronatsseite vorschwebt, zwischen 400 und 500 Euro verlieren würden.
Milena Steinmetzer bedauert, dass das Patronat die von den Gewerkschaften geforderte Erhöhung der Zulagen für den Bereitschaftsdienst bisher ignorierte, obwohl diese bei den Staatsarbeitern inzwischen deutlich erhöht wurden.
Die Zulagen für den Bereitschaftsdienst müssen erhöht werden
Geht es nach den Gewerkschaften, wird im neuen Kollektivvertrag für die Südgemeinden festgehalten, dass die Zulagen für den Bereitschaftsdienst an Arbeitstagen um 2 Punkte am Tag, an Samstagen um 4 Punkte, an Sonntagen, gesetzlichen und vertraglichen Feiertagen um 6 Punkte und an gesetzlichen Feiertagen, die auf einen Sonntag fallen, um acht Punkte am Tag erhöht werden. Für den telefonischen Bereitschaftsdienst soll die Erhöhung der Zulage die Hälfte jener des Bereitschaftsdienstes betragen.
Flexibilität muss adäquat vergütet werden
Auch was den Arbeitsplan (POT) und mögliche Abänderungen angeht, die spätestens während dem fünften Tag vor Beginn der Abänderung schriftlich mitgeteilt werden müssen, ansonsten die Abweichungen als Überstunden zu bezahlen sind, ist Christian Sikorski kategorisch: »Erstens wollen wir, dass diese Frist von fünf Tagen nicht gekürzt, sondern beibehalten wird, und zweitens lehnen wir eine Kürzung der Überstundentarife, wie sie der Patronatsseite vorschwebt, kategorisch ab«, sagt der Gewerkschafter. »Die dem Lohnabhängigen abverlangte Flexibilität kann keine Einbahnstraße sein, sondern muss adäquat vergütet werden« fügt Milena Steinmetzer hinzu und weist darauf hin, dass es keinen Grund gibt, auf dem Rücken der Arbeiter zusätzliche Flexibilität zu betreiben und Überstunden dann auch noch mit niedrigeren Prozentsätzen zu vergüten.
Die verminderten Einstiegsstufen müssen retroaktiv ab dem 1. Januar 2018 abgeschafft werden
In einem sind sich die zwei OGBL-Gewerkschafter einig: Die Gehälterabkommen im öffentlichen Dienst müssen ihren Niederschlag im Kollektivvertrag finden, und die seit der Vereinbarung von 2018 noch offenen Punkte müssen zu einem positiven Abschluss gebracht werden, ansonsten eine neue Abmachung kaum möglich und der Gang zum Schlichtungsamt unvermeidlich sein dürfte. Dazu zählt unter anderem, dass die verminderten Einstiegsstufen bei den Löhnen der Arbeiter, Handwerker und Vorarbeiter retroaktiv ab dem 1. Januar 2018 abgeschafft und die Vordienstzeiten generell zu 100 Prozent angerechnet werden.
Gegebenenfalls, so die Gewerkschafter, müsse auf gewerkschaftliche Aktionen zurückgriffen werden, um Verschlechterungen zu verhindern und dem sozialen Fortschritt zum Durchbruch zu helfen.
Ziel ist ein sektorieller Kollektivvertrag
Ganz im Sinne des sozialen Fortschritts und der gleichen Lohn- und Arbeitsbedingungen ist, dass die Gewerkschaft mittelfristig einen sektoriellen Kollektivvertrag für den gesamten kommunalen Bereich anstrebt. »Das ist ein ehrgeiziges Ziel, auf das wir zusammen mit den Lohnabhängigen aus den Gemeinden resolut hinarbeiten wollen«, versichern Christian Sikorski und Milena Steinmetzer.