Ausland21. August 2020

Staatsstreich in Mali verändert die Situation der Sahel-Zone

Frankreichs Führung fürchtet um Militäroperation Barkhane

Der Aufstand des Militärs in Mali verändert die Situation der gesamten Sahel-Zone, wo sich Frankreich mit der Militäroperation Barkhane massiv im Kampf gegen die islamistischen Djihadisten eingebunden ist. Präsident Emmanuel Macron ist durch den Staatsstreich in ein ernstes Dilemma geraten. Einerseits kann er sich nicht zu stark für den gestürzten Präsidenten Ibrahim Boubacar Keita engagieren, weil der nach sieben Jahren an der Spitze des Landes heute von der Bevölkerungsmehrheit abgelehnt wird. Keita war 2012 selbst durch einen Militärputsch an die Macht gekommen, hat sich aber als schwach und unentschlossen erwiesen, und seine Regierung als unfähig und korrupt.

Das hat seit Monaten zu Protestaktionen geführt, die nach den offensichtlichen Fälschungen der Ergebnisse der jüngsten Parlamentswahlen einen Höhepunkt erreichten. Hat Macron den Militäraufstand anfangs – nach telefonischer Abstimmung mit den Staatschefs der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft CEDEAO – scharf verurteilt, so beschränkt er sich inzwischen darauf, die Freilassung von Keita zu fordern. Den Machtwechsel in Bamako muß er notgedrungen zur Kenntnis nehmen und hoffen, daß die Militärs ihre Zusicherung einhalten, so bald als möglich demokratische Wahlen zu organisieren.

Andererseits kann und will Macron die Militärs nicht vorbehaltlos unterstützen, zumal es ernsthafte Hinweise darauf gibt, daß sich unter ihnen die Neigung breit macht, angesichts der eigenen militärischen Schwäche Verhandlungen und einen Kompromiß mit den islamistischen Djihadisten zu suchen. Doch damit stünde die gesamte »Antiterrorpolitik« Frankreichs in der Region auf dem Spiel.

Unter dem sozialistischen Präsidenten François Hollande wurde 2014 die französische Militäroperation Barkhane gestartet, um in der sich südlich der Sahara vom Atlantik bis zum Roten Meer erstreckenden Sahel-Zone islamistische Djihadisten zu bekämpfen. Diese wollten nach ihren militärischen Niederlage im Irak und in Syrien diese Region zu ihrem neuen Operationsfeld machen. Die Djihadistem waren Anfang 2013 mit einem Marsch in den Süden Malis sogar schon im Begriff, das Land in ihre Hand zu bringen, und konnten nur durch den Einsatz französischer Flugzeuge und Fallschirmjäger wenige Dutzend Kilometer vor der Hauptstadt Bamako gestoppt und zurückgeworfen werden.

Nach einer Aufstockung vor wenigen Wochen um 500 Militärs umfaßt das französische Kontingent vor Ort jetzt 5.100 Mann. Aber das ist relativ wenig, denn das Operationsgebiet, das die ehemaligen französischen Kolonien Mauretanien, Mali, Burkina Faso, Niger und Tschad umfaßt, ist zehnmal größer als Frankreich, und die Militärverbände dieser Länder sind relativ schwach. Die Staatschefs dieser fünf Länder unterstützen das militärische Engagement Frankreichs, doch der Beitrag ihrer zumeist schlecht ausgebildeten und ausgerüsteten Armeen ist dabei keine große Hilfe, ebensowenig wie die der Blauhelme der UNO-Mission MINUSMA.

An der Operation Barkhane beteiligen sich am Rande auch einige Soldaten der deutschen Bundeswehr und aus anderen EU-Ländern, um »europäische Solidarität« zu demonstrieren, doch das Hauptgewicht liegt nach wie vor auf den französischen Militärs. Die durchkämmen auf der Jagd nach Djihadisten Wüste und Savanne. Anfang Juni konnten sie dabei den Führer der Terrororganisation Al Quaida im Maghreb, Abdelmalek Droukdel, aufspüren und töten. Ein Racheakt dafür könnte vor Tagen die Ermordung von sechs europäischen Entwicklungshelfern und zwei Afrikanern in einem Naturschutzpark in Niger gewesen sein, zu dem sich allerdings bisher niemand bekannt hat.

Die französischen Militäraktionen in der Region beschränken sich nicht auf Hubschrauberflüge und Patrouillen mit Panzerwagen. Vor allem durch die Durchsuchung von Dörfern und Lagern machen sich die Barkhane-Soldaten bei der Bevölkerung unbeliebt, und so gelingt es nicht nur den Djihadisten, sondern auch örtlichen Politikern, antifranzösische Stimmung zu schüren. Daß die Regierungen das dulden und nicht dagegen vorgehen, verärgert Macron und er machte es zu einem der Hauptthemen der G5-Gipfel mit den Staats- und Regierungschefs dieser Länder im Januar diesen Jahres im südwestfranzösischen Pau und Ende Juni in der mauretanischen Hauptstadt Nouakchott.

Die Aufständischen in Mali haben erklärt, daß sie alle internationalen Verträge und Verpflichtungen einhalten und respektieren. Dazu gehört auch die Unterstützung der Operation Barkhane. In Paris nimmt man das mit einiger Skepsis zur Kenntnis. Man hoffe das Beste, bereite sich vorsichtshalber aber auch auf das denkbar Schlechteste vor, verlautet aus dem Armeeministerium.

Ralf Klingsieck, Paris

Ismael Wague (M), Sprecher der Aufständischen, spricht zu Journalusten (Foto: Uncredited/AP/dpa)