Ausland06. März 2010

»... mit Zuhältern die afghanischen Frauen befreien«

Gegenwärtig führen die USA zwei Kriege in West- und Zentralasien. Bei beiden haben die USA klare wirtschaftliche und strategische Ziele. Ein dritter Krieg, der gegen den Iran, zieht am Horizont auf. Und weil all diese Kriege gegen die und innerhalb der muslimischen Länder geführt werden, nehmen sie den Charakter dessen an, was Huntington den »Kampf der Kulturen« genannt hatte.

In beiden Ländern – Irak und Afghanistan – mußten die Völker für den Krieg der USA schwer bezahlen: wirtschaftlich-materiell-finanziell und (un)menschlich mit Toten, Verletzten und Verstümmelten. Gleichzeitig stellte es sich als unmöglich heraus, daß die USA und ihre mehr oder weniger willigen Alliierten diesen Krieg gewinnen können, obwohl sie sich im ölreichen Irak militärisch einrichten konnten.

Aber grundlegend wichtig ist das, was sie den »Krieg gegen den Terror« nennen und was zur völligen Militarisierung der USA und ihrer Verbündeten geführt hat; die Langzeitwirkung dieses »Antiterrorkrieges« war die Verwandlung unserer Länder in moderne Polizeistaaten. Sogar in meinem Land – in Schweden – kommt es zum Abbau traditioneller Grundrechte verfassungs- und strafrechtlicher Art.
Aber daß die USA auf lange Sicht zum Scheitern verurteilt sind, liegt auf der Hand. Die Bäume wachsen nicht in den Himmel. (…) Eine militärisch überlegene Armee trifft auf einen Volkswiderstand aus kaum bewaffneten Bauern. Der Krieg wird ungewinnbar. Die Kosten steigen ins Unermeßliche, und der Krieg wird immer grausamer, während »positive Ergebnisse« nicht zu sehen sind. (…)

Glaubt man ihrer Propaganda, dann sind die USA in Afghanistan, um dem afghanischen Volk zu helfen. Das ist der übliche Wortschwall aus dem Mund des Kolonialismus und Imperialismus. (…) Heute scheint es so, als wären die US-Streitkräfte, die der NATO und die schwedischen Soldaten nach Afghanistan geschickt worden, um die Frauen Afghanistans zu befreien. Als einige meiner linken Freunde begannen, von der Befreiung der Frauen in Afghanistan zu reden, Befreiung von der Unterdrückung durch die Taliban, (…) wies ich sie darauf hin, daß, wenn sie schwedische Soldaten abkommandieren, um Frauen zu befreien, es da noch lohnendere vordringlichere Ziele gäbe: Der schwedische Staat erlaubt es Männern nicht, sich Frauen zu kaufen. Die, die es doch tun, werden bestraft.

Aber in Deutschland ist Prostitution legal. Hamburg ist eines der großen Zentren der legalen Prostitution in Europa. Der deutsche Staat nimmt sehr viel ein durch die Besteuerung der Prostitution in Hamburgs Bordellen. Viele der Frauen, die dort in den Bordellen arbeiten, wurden aus Asien, Afrika und Osteuropa verschleppt. Schweden könnte natürlich seine Armee nach Hamburg schicken, die Marine und die Luftwaffe, um zu versuchen, diese unglücklichen Frauen aus den steuerzahlenden Hamburger Bordellen zu befreien. Aber wir tun es nicht. Statt dessen schicken wir unsere Truppen nach Afghanistan, wo sie dann Seite an Seite mit deutschen Zuhältern zusammen die afghanischen Frauen befreien.

Ich weiß, daß die Afghanen ihr Land und ihr Volk verteidigen werden, wie sie es immer getan haben. Dieser fünfte afghanische Krieg ist genauso schrecklich wie die drei ersten britischen Kriege gegen Afghanistan und der vierte russische. Die internationale Solidarität ist nicht nur notwendig, um zu erreichen, daß der Preis, den das afghanische Volk zu zahlen hat, nicht ins absolut Untragbare steigt – während das US-Empire diesen Krieg weiterführt. Nein, auch um unseretwillen. So lange wir nicht in der Lage sind, unsere Staaten daran zu hindern, sich weiter an diesem Krieg zu beteiligen, so lange sind wir mitverantwortlich für die Grausamkeiten gegen das afghanische Volk, und gleichzeitig verringern sich für uns die Möglichkeiten, unsere eigene Gesellschaft zum Besseren zu verändern.

* Auszüge aus einem Vortrag des schwedischen Schriftstellers Jan Myrdal am St.Xavier’s College in Mumbai/Indien am 9. Februar. Übersetzung: Hartmut Barth-Engelbart

Jan Myrdal