Ausland23. Juli 2009

Viel Laderaum für Leichensäcke

Verluste in Afghanistan steigen – USA wollen 22 000 Soldaten zusätzlich rekrutieren

Der US-amerikanische Militärminister Robert Gates will das Heer um 22.000 Soldaten aufstocken. Präsident Barack Obama stehe hinter der Entscheidung, sagt er.

Zwei Kriege zur gleichen Zeit – dazu wollten die USA in der Lage sein. Doch die Militärdoktrin stößt sich an der Realität. Zwar zieht man aus dem Irak nach und nach Soldaten ab, doch in Afghanistan wächst die Gewalt umso rascher. Also verlegt Präsident Obama zur Zeit rund 20.000 Soldaten aus dem Irak und aus heimischen Camps zur Entscheidung an den Hindukusch. Gleichzeitig will das Pentagon 22.000 neu rekrutieren.

Die Militärführung hatte jüngst erst eine Neubewertung der aktuellen Sicherheitsposition vorgenommen. Dabei setzte sich wohl die Erkenntnis durch, daß High-Tech im Zeitalter asymmetrischer Auseinandersetzungen – anders als zu Zeiten des Kalten Krieges – nur wenig Überlegenheit verspricht. Man geht offenbar nicht davon aus, daß die militärische Überlegenheit der westlichen Koalition bald zum Sieg über die Taliban führt. Die Kriege im Irak und in Afghanistan haben zudem erreicht, daß es immer mehr US-Soldaten gebe, die verwundet oder aus anderen Gründen nicht mehr verwendungsfähig seien. Daß GIs über den Endpunkt ihres Kontrakts in ihren überseeischen Kampfstellungen belassen werden, hat für zusätzlichen Unmut gesorgt. Das Pentagon braucht also neues »Kanonenfutter«.

In seinem aktuellen, gesetzlich eingeforderten Halbjahresbericht (Oktober 2008 bis April 2009) über die Situation in Afghanistan an das US-Parlament betont das Pentagon, daß die Anzahl der Taliban-Angriffe um 57 Prozent angewachsen sei. 67 US-Soldaten seien in diesem Zeitraum gefallen. Das ist ein Plus von rund einem Viertel. Zählt man die Toten von ISAF und den afghanischen Sicherheitskräften dazu, beträgt die Steigerungsrate sogar 68 Prozent.

Die Vergrößerung der US Army auf 569.000 Soldaten sei über die nächsten drei Jahre geplant, sagte Gates. Er betonte jedoch, die Aufstockung bedeute nicht notwendigerweise, daß die USA über die angekündigte Zahl hinaus noch weitere Soldaten nach Afghanistan entsenden. Diese Darstellung scheint ein deutlicher Hinweis zu sein, daß die anderen NATO-Verbündeten ihr »Engagement« am Hindukusch erhöhen sollen.

Zwar haben die US-Truppen in Afghanistan die schwierigsten Kämpfe zu bestehen, doch auch die deutschen NATO-Verbündeten sind immer stärker in ausweglose Situationen gestellt. Weshalb man nun bei Kundus sogar schon die – bisher für den Objektschutz verwendeten – Schützenpanzer »Marder« zum Einsatz bringt. Das deutet auf den Versuch hin, aus der Defensive in eine – wie auch immer geartete – Offensive zu kommen.

René Heilig