Leitartikel12. Juli 2025

In Erwartung der Verhandlungen

von Ali Ruckert

Abgesehen von fragwürdigen Witzen über die Gewerkschaften, die er am Donnerstag beim Sommerfest der CSV in Hesperingen machte, trat der Premierminister und CSV-Präsident Luc Frieden ein weiteres Mal ins sprichwörtliche Fettnäpfchen und machte deutlich, dass er offenbar in einer anderen Welt lebt als die große Mehrheit der Menschen hierzulande. Anders ist es nicht zu erklären, dass er behauptete, es sei der »falsche Weg, alles aufzugeben, wofür man gewählt wurde, nur weil ein paar Leute mit etwas nicht einverstanden sind«.

Das ist zweifelsohne der Gipfel der Arroganz, nachdem keine zwei Wochen zuvor 25.000 Menschen gegen die von der CSV/DP-Regierung im Interesse des Patronats geplanten arbeitsrechtlichen und sozialen Verschlechterungen auf die Straße gingen. Sollte der Mann erst einsichtig werden, wenn im Hebst 50.000 und mehr Männer und Frauen manifestieren und die Arbeit niederlegen werden, um die Regierung samt ihrer sozialen Grausamkeiten aus dem Amt zu jagen?

Fest steht, dass Premier Frieden und seine Regierung – unabhängig von den Versprechen, die sie dem Patronat gaben – diese Woche gezwungen waren, in der Frage der Kollektivverträge einen Rückzieher zu machen.

Die Gewerkschaftsfront von OGBL und LCGB hatte zuvor deutlich gemacht, dass mit dem Angriff auf die Kollektivverträge und die Rechte der Gewerkschaften eine rote Linie überschritten wurde, und OGBL-Präsidentin Nora Back hatte anschließend keinen Zweifel daran gelassen, dass Verhandlungen über die strittigen Themen bereits vor ihrem Beginn geplatzt wären, hätte der Premierminister nicht zugesagt, dass am Kollektivvertragsgesetz und den Gewerkschaftsrechten nicht gerührt werde.

Das war die Voraussetzung dafür, dass am Montag überhaupt Verhandlungen aufgenommen werden können, die allerdings immer noch platzen könnten, sollte das Patronat den Rückzieher der Regierung in der Frage der Kollektivverträge nicht akzeptieren und mit dem Kopf durch die Wand gehen wollen, wie das ihr Sprecher durchblicken ließ.

Schwierig werden die Verhandlungen ohnehin, auch wenn die Fragen betreffend die Arbeitsorganisation, darunter die von der Regierung geplante erweiterte Sonntagsarbeit und vollständige Liberalisierung der Öffnungszeiten im Handel, allesamt ins »Comité Permanent du Travail et de l’Emploi« verlagert werden.

Die Andeutung der Regierungsseite, sich gewissen gewerkschaftlichen Vorschlägen zur Stabilisierung des öffentlichen Rentensystems nicht länger verschließen zu wollen, darf man zur Kenntnis nehmen, aber die Arroganz der Regierungsparteien in der Rentenfrage wirkt nach. Sie machten Wahlkampf, ohne sich zu den Renten zu äußern und wollen nun, einmal in der Regierung, den Schaffenden eine bis zu fünf Jahre längere Lebensarbeitszeit aufzwingen.

Andererseits aber schwebt ihnen vor, Zehntausende Lohnabhängige und Rentner mit dem viel zu niedrigen Mindestlohn und mit Hungerrenten in der Armutsfalle ausharren zu lassen.

Am Montag wird maximal ein Dutzend Gewerkschafter am Verhandlungstisch mit der Regierung und dem Patronat Platz nehmen. Auf sie kommt keine einfache Aufgabe zu, aber ihnen stärken 25.000 Manifestanten und zehntausende Lohnabhängige, die nicht demonstrieren konnten, da sie ihrer Arbeit in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst nachgehen mussten, den Rücken.

Sie wollen keine halben Sachen, sondern gingen auf die Straße und unterstützen die Gewerkschaften, weil sie jegliche Verschlechterungen verhindern wollen und auf arbeitsrechtliche und soziale Verbesserungen hoffen. Ihnen sind die Gewerkschaftsvertreter verpflichtet und niemand anderem.