Rechtzeitig die richtigen Akzente setzen
Im kommenden Monat eröffnet die Cactus-Kette im Süden des Landes eine zusätzliche Filiale. Und zwar in den einstigen Räumlichkeiten des zu Jahresanfang in Konkurs gegangenen Supermarktes »Boon« in Schifflingen. Viele werden sich erstaunt die Frage stellen, wieso wir einer Geschäftseröffnung die Spalten eines Leitartikels öffnen? Handelt es sich bei der Filiale in Schifflingen etwa um etwas Besonderes? Eigentlich nicht. Wenn wir uns dennoch im Editorial damit befassen, dann nur, um daran zu erinnern, dass den von der Pleite betroffenen Mitarbeitern, denen rücksichtslos und auf skandalöse Art und Weise der Stuhl vor die Tür gesetzt wurde, mit der Ankündigung getröstet wurden – auch von Seiten der Gewerkschaften –, die Nachfolgefirma werde einen großen Teil des Personals übernehmen.
Nun stellt sich die Frage, in wie weit diesen Worten auch Taten folgten oder noch folgen werden? Oder ob sich nicht doch eher die Frage aufdrängt, ob es dem einstigen Personal von »Boon« nicht genauso ergehen wird, wie einer großen Anzahl ehemaliger Mitarbeiterinnen von Monopol Scholer, die, trotz ähnlicher Versprechen, rund drei Jahre nach Schließung des letzten Geschäfts, immer noch ohne Job sind. Wir tendieren eher für die zweite Variante. Warum? Weil wir aus Insiderkreisen wissen, dass die wenigen neuen Jobs – in Schifflingen handelt es sich um eine kleine Verkaufsfläche – in erster Linie durch Transfers von Mitarbeiterinnen aus anderen Filialen besetzt werden sollen. So dass sich einmal mehr viele fragen werden, wieso man sie so verschaukelt hat.
Den 211 Beschäftigten von Villeroy & Boch, die im Laufe des kommenden Jahres durch die angekündigte Einstellung der Produktion in Luxemburg entlassen werden – 19 haben die Firma bereits vorzeitig freiwillig verlassen oder sind in Rente verabschiedet worden –, sind keine neuen Jobs in Aussicht gestellt worden. Was auch nicht besonders überrascht, schließlich sind von den 179 Betroffenen, denen vor drei Jahren durch Restrukturierungsmaßnahmen der Vertrag gekündigt wurde, heute noch um die Hälfte ohne Beschäftigung.
Auch wenn die Maschinen im Rollingergrund erst Ende des kommenden Jahres endgültig stillgelegt werden, so beherrschen die Beschäftigten der »Faïencerie« durch ihr seit Tagen kämpferisches Auftreten die Schlagzeilen. Ihr Kampf gilt allerdings nicht etwa dem Erhalt der Arbeitsplätze. Bei ihren gewerkschaftlichen Aktionen, die zu begrüßen sind, geht es leider »nur« um die von der Direktion vorgeschlagene Höhe der Abgangsentschädigung, die zu Recht einstimmig als zu gering empfunden wird. Dass schon nach wenigen Tagen erste Teilerfolge erzielt werden konnten, zeigt, dass sich das Kämpfen auf jeden Fall lohnt.
Umso mehr drängt sich die Frage auf, wieso sich die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften nicht schon früher so kämpferisch zeigten. Nämlich direkt am Tag, als das Ende der Produktion in Luxemburg angekündigt wurde. Im Mittelpunkt hätte in einem solchen Fall unbedingt der Kampf für den Erhalt der Arbeitsplätze stehen müssen. Leider sieht das »Modell Luxemburg« solche »Szenarien« nicht vor. Es werden andere Akzente gesetzt, denn der soziale Frieden darf in Luxemburg partout nicht gefährdet werden. Also muss verhandelt, ... nochmals und wieder verhandelt werden. Sogar dann noch, wenn, wie bei Villeroy & Boch, die dunkelsten Gewitterwolken bereits deutlich am Horizont erkennbar waren.
Im Nachhinein bleibt dann meist nur mehr die Möglichkeit bestehen, gegen die Folgen der Gewitter anzukämpfen. Dass dabei immer wieder viele zu Schaden kommen, wird dann meist nur mehr am Rande wahrgenommen.
gilbert simonelli