Luxemburg11. September 2024

Premier Frieden reist zu Orbán nach Budapest

Ungarnboykott der EU-Kommission wird – mit deutscher und spanischer Rückendeckung – unterlaufen

von

Wie angekündigt beteiligt sich die luxemburgische Regierung nicht am von der Kommission und insbesondere dem EU-Außenbeauftragten verhängten Boykott der noch bis Ende Dezember dauernden EU-Ratspräsidentschaft Ungarns. Wie das Staatsministerium am Dienstag angekündigt hat, wird Premier Luc Frieden am morgigen Donnerstag zu einem Arbeitsbesuch in Budapest erwartet. Er wolle mit seinem Amtskollegen Victor Orbán »aktuelle internationale Themen besprechen«.

Am Montag und Dienstag hatte Landwirtschaftsministerin Martine Hansen bereits an einem Treffen ihrer Ressortkolleginnen und -kollegen in der ungarischen Hauptstadt teilgenommen, auf dem laut einer Mitteilung ihres Ministeriums die Debatte über die Agrarpolitik der EU nach 2027 eingeleitet werden sollte.

Nachdem Orbán gleich zu Beginn der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft Anfang Juli eine »Friedensmission« nach Moskau und Beijing unternommen hatte, die bei der Durchhaltefraktion in Brüssel ganz schlecht ankam, hatte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärt, nicht zum Antrittsbesuch nach Budapest zu fliegen und bis Jahresende keine Kommissare mehr, nur noch hohe Beamte, zu Ministertreffen zu schicken, die von der ungarischen Ratspräsidentschaft organisiert werden.

Darüber hinaus entschied Josep Borrell, der Außenbeauftragte des Staatenbundes, ein für Ende August von Ungarn angekündigtes Außenministertreffen in Budapest zu boykottieren. Borrell traf die Entscheidung Mitte Juli nach einem Treffen der Außenminister der Mitgliedstaaten in Brüssel und gegen den erklärten Willen der Regierungen Deutschlands, Spaniens, Luxemburgs und Sloweniens. Schon damals hatte Premier Frieden erklärt, grundsätzlich halte er »ganz wenig« von Boykotten.

Deutlicher wurde Amtsvorgänger und Außenminister Xavier Bettel, der Borrells Boykottankündigung auf dem letzten Außenministertreffen vor der Sommerpause Mitte Juli in Brüssel »Schwachsinn« nannte und dafür warb, nach Budapest zu reisen und dort der ungarischen Regierung »klar und deutlich die Meinung zu sagen«. Unterstützung für Borrells Konfrontationskurs kam dagegen aus ost- und nordeuropäischen Mitgliedstaaten wie Polen, Litauen und Schweden.

Orbán hatte seine Reisen als Friedensmission bezeichnet. Der ungarische Premier kritisiert seit langem, daß der politische Kurs von EU und NATO zu einer Ausweitung des Krieges über die Ukraine hinaus führen könnte. Nach seinen Reisen nach Moskau und Beijing schrieb er in einem Brief an Charles Michel, den Präsidenten des EU-Rats der Staats- und Regierungschefs, die EU sollte die Initiative ergreifen und mit China Gespräche über eine große Friedenskonferenz führen. Gleichzeitig solle die wegen des Ukraine-Kriegs eingestellte diplomatische Kommunikation mit Rußland wieder aufgenommen werden.

Auch verfügt Premier Orbán über ein mächtiges Druckmittel: Alle sechs Monate muß über die Verlängerung der von der EU gegen Rußland verhängten Sanktionen im Konsens abgestimmt werden. Bei einem Veto Ungarns (oder auch Sloweniens) könnte unter anderem die Militärhilfe für Kiew nicht wie vorgesehen aus den Zinserträgen des in der EU beschlagnahmten russischen Vermögens gezahlt werden.