Machtdemonstration im Mittelmeer
Zoff um Erdgas. Frankreich schickt Flugzeugträger zur Unterstützung Zyperns
Recht zufrieden schien Zyperns Präsident Nikos Anastasiadis zu sein, als er am Samstag auf dem französischen Flugzeugträger »Charles de Gaulle« eintraf. »Zweifellos« sei die Entsendung des Kriegsschiffes, das tags zuvor in der zypriotischen Hafenstadt Limassol vor Anker gegangen war, »ein neuer Beleg für die anhaltende qualitative Aufwertung der Beziehungen zwischen Zypern und Frankreich«, urteilte er. Beide Seiten seien entschlossen, »die Zusammenarbeit weiter zu vertiefen«. Denn »eine häufige französische Marinepräsenz im östlichen Mittelmeer« sende »eine deutliche Botschaft an diejenigen, die Instabilität und Spannungen in der Region zu säen suchen«, ließ sich Anastasiadis zitieren – und ohne daß er es explizit sagen mußte, war klar, wen und was er meinte: die Türkei und ihre Versuche, sich Zugriff auf das Erdgas vor der Küste Zyperns zu verschaffen.
Im östlichen Mittelmeer, genauer im Seegebiet zwischen Zypern, Israel und Ägypten, sind in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten riesige Erdgaslagerstätten entdeckt worden. Das größte von ihnen ist das ägyptische Erdgasfeld »Zohr«. Bedeutend sind zudem die israelischen Felder »Leviathan« und »Tamar«. Zypern hat in den Gewässern südlich seiner Küste 13 Blöcke markiert, in denen es auf eigene Funde hofft. In mehreren Blöcken sind bereits nennenswerte Vorkommen entdeckt worden.
Schon 2011 fanden Shell, die US-amerikanische Noble Energy und die israelische Delek Drilling in Block 12 ein vielversprechendes Erdgasfeld, das den Namen »Aphrodite« bekam. Anfang 2018 stieß der Energiekonzern Eni in Block 6, den die Italiener gemeinsam mit der französischen Total ausbeuten dürfen, auf eine große Lagerstätte. Im vergangenen Jahr folgte der USA-Konzern Exxon Mobil mit einer Entdeckung in Block 10, in dem er gemeinsam mit Katar nach Petroleum bohrt. Die zyprischen Behörden haben längst weitere Explorationslizenzen vergeben. Den Löwenanteil daran halten die italienische Eni und die französische Total.
Während die großen Konzerne mit ihren Bohrtätigkeiten beschäftigt sind, zeichnen sich seit zwei Jahren ernste Probleme mit der Türkei ab. Das Land ist das einzige in der Region, das prinzipiell von dem Erdgasboom im östlichen Mittelmeer ausgeschlossen ist – auch von den Planungen für eine Gaspipeline, die Zypern, Israel und Griechenland gemeinsam einrichten wollen, um den fossilen Rohstoff auf den europäischen Kontinent zu transportieren. Die Türkei interveniert deswegen, und begründet dies auf zweierlei Weise. Zum einen behauptet die türkische Führung, durch die Lage der Türkei auf dem Kontinentalschelf habe sie Rechte auf mehrere der von Zypern markierten Blöcke. Um diese Ansprüche zu markieren, hat sie im November 2019 ihre postulierte, international freilich nicht anerkannte Seegrenze in einem Abkommen mit der sogenannten libyschen »Einheitsregierung« in Tripolis festgelegt. Zusätzlich erklärt die Türkei, Zypern übergehe in Sachen Erdgas das abgespaltene, nur von der Türkei anerkannte Nordzypern.
Im Februar 2018 schritt die türkische Regierung erstmals zur Tat schickte ein Kriegsschiff, das ein Schiff der italienischen Eni auf dem Weg zu einer Probebohrung blockierte. Inzwischen hat Ankara darüber hinaus begonnen, eigene Bohrschiffe zu Erkundungsmaßnahmen in die Gewässer südlich von Zypern zu entsenden – angeblich auch im Namen von »Nordzypern«.
Damit attackiert Ankara nicht zuletzt Interessen des Energiemultis Total. Frankreich hat in den vergangenen Jahren entsprechend begonnen, seine Militär- und Rüstungskooperation mit Zypern auszubauen. Erst vor gut zwei Wochen unterzeichneten beide Seiten einen Vertrag über ein Rüstungsgeschäft, das vor allem die Lieferung von Luftabwehrraketen des Typs »Mistral« und von Antischiffsraketen des Typs »Exocet« umfaßt und einen Wert von rund einer Viertelmilliarde Euro hat. Vor einer Woche fanden außerdem gemeinsame Manöver statt. Dabei kreuzten die »Charles de Gaulle« und weitere französische Kriegsschiffe in Block 8, den eigentlich Total und Eni ausbeuten dürfen, in dem aber derzeit ein türkisches Bohrschiff Erkundungen vornimmt.
Am vergangenen Dienstag traf die französische Armeeministerin Florence Parly auf Zypern ein, um mit Präsident Anastasiadis über eine Intensivierung der Militärkooperation zu verhandeln. Und am Samstag wurden der Präsident und die Minister Zyperns für Äußeres und für Verteidigung auf der »Charles de Gaulle« empfangen.
Frankreich verfolgt mit der Intensivierung seiner Aktivitäten gleich mehrere Ziele. Es markiert nicht nur nachdrücklich die Interessen von Total, es stärkt auch seine Positionen im östlichen Mittelmeer – insbesondere in der Nähe Syriens. In der Tat hält sich der Flugzeugträger aktuell in der Region auf, um sich angeblich an »Operationen gegen den IS« zu beteiligen. Die Machtdemonstration gegenüber der Türkei war eher ein – freilich nützliches – Nebenprodukt. Und nicht zuletzt legt Paris, während Berlin sich, wohl aus Rücksicht auf Ankara, eher zurückhält, erheblichen außenpolitischen Aktivismus im östlichen Mittelmeer an den Tag: ein weiterer Versuch, auch gegenüber Deutschland in die Offensive zu kommen.
Jörg Kronauer
Der französische Flugzeugträger »Charles de Gaulle« am Freitag im Hafen der zyprischen Stadt Limassol (Foto: EPA-EFE/STAVROS KONIOTIS)