Ausland10. September 2021

Rangelei bei Italiens Rechten

Für Lega-Chef Salvini geht es um die Führerschaft in der faschistischen Allianz

von Gerhard Feldbauer

Im Frühjahr 2022 steht in Italien die Wahl eines neuen Staatspräsidenten an, bei der die Parteien der Regierung Mario Draghi ein gewichtiges Wort mitzureden haben werden. Dieses Kabinett, in den Medien »Mitte-Links«-Regierung genannt, besteht aus dem sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) und der Fünf Sterne-Bewegung (M5S) sowie der nationalistisch-faschistischen Forza Italia (FI) Berlusconi und der Lega unter der Führung von Matteo Salvini.

Auf beiden Seiten setzen Überlegungen ein, ob man für diese Wahl in der Regierung des früheren EZB-Chefs Draghi gut positioniert ist, oder ob man sie besser verlassen sollte. In den vergangenen Tagen hat sich dazu aus der PD-Leitung der EU-Parlamentarier Goffreddo Bettini zu Wort gemeldet und erklärt, das Draghi-Kabinett sei »nicht unsere Regierung«. Man solle sie besser verlassen, enttäuschten Linken »ein neues politisches Angebot« vorlegen, in dem »wir ihnen klar sagen, wohin wir wollen«. Dazu wollte Bettini auch Luigi Bersani gewinnen, den früheren Kommunisten, Mitbegründer und Ex-Parteichef des PD, der die Partei wegen ihres Rechtskurses verlassen hatte.

Da schrillten bei Lega-Führer Matteo Salvini wohl die Alarmglocken. Wie die staatliche Nachrichtenagentur ANSA am Dienstag berichtete, will er Premier Draghi im Parlament eine Abstimmungsniederlage bereiten, wodurch eine Regierungskrise ausgelöst werden könnte. Es geht um den viel diskutierten »Grünen Paß«, was aber, wie das linke »Manifesto« am Mittwoch bemerkte, lediglich ein Vorwand ist. »Die Pirouretten Salvinis« bedeuten in Wirklichkeit, daß er »die Machtverhältnisse« in der faschistischen Allianz überprüfen will.

Das betrifft vor allem die Chefin der Partei Brüder Italiens (FdI), Giorgia Meloni, die ihm die Führerschaft in dieser losen Allianz kürzlich mit der Ankündigung streitig machte, sie werde nach den nächsten Wahlen (sie stehen planmäßig im Frühjahr 2023 an, könnten aber auch vorgezogen werden) »die Führung der Nation« übernehmen. Das schließt logischerweise ein, daß sie als Kandidatin der Rechtsaußen-Allianz antreten will.

Ihre Position in der Allianz hatte sie vor allem dadurch gefestigt, daß sie mit ihrer Partei nicht der Draghi-Regierung betrat. In Wählerumfragen ist sie danach auf eine Zustimmung von mehr als 18 Prozent gestiegen und hat damit ihren Stimmenanteil fast verdoppelt, während Salvinis Lega von 32 Prozent bei dem Märzwahlen 2018 auf 21 Prozent abgesunken ist.

Nach Ansicht des »Manifesto« werde sich Salvini »den Brüden Italiens anschließen, um das grüne Zertifikat zu begraben«. Ob er danach sein Mitwirken in der Draghi-Regierung aufgibt, hänge davon ab. ob er als Führer der rechten Allianz bestätigt wird. Dann werde er »sich auf den Sieg der Rechten bei den Wahlen konzentrieren«.

Vorerst hat Salvin aber andere Sorgen. In Palermo wird noch im September gegen ihn ein Prozeß eröffnet. Gegenstand der Verhandlungen ist das spanische Rettungsschiff »Open Arms« der gleichnamigen Nichtregierungsorganisation, dem Salvini im August 2019 als Vizepremier und Innenminister der Regierung Giuseppe Conte die Einfahrt in den Hafen von Lampedusa auf Sizilien verweigerte. In dem Verfahren wird er wegen Entführung und Machtmißbrauchs angeklagt. Im Fall einer Verurteilung würden ihm bis zu 15 Jahre Haft drohen.

Der Rassistenchef hofft allerdings, aus diesem Prozeß Kapital für sich herauszuschlagen. Bei der vorangegangenen Anhörung in Palermo, zeigte er sich, wie ANSA berichtete »überhaupt nicht beeindruckt« von dem Antrag der Staatsanwaltschaft. »Ich bin stolz darauf, für den Schutz meines Landes gearbeitet zu haben«, schrieb er danach auf Twitter. Er habe sich »an das Gesetz gehalten und Europa aufgeweckt«.

Das Gesetzt ist zwar modifiziert worden und wird nicht mehr angewendet, ist aber auch unter der Draghi-Regierung noch nicht aufgehoben worden. Die NGO »Open Arms« bekräftigte nach der Anhörung, der frühere Innenminister habe »die Rechte schutzloser Menschen verletzt, was ein Verbrechen in jedem demokratischen Land darstellt, das die Verfassung und internationale Konventionen respektiert«.