Kauzig, markant, präsent – Peter Simonischek ist tot
Die Sehnsucht nach der Glanzleistung hat Peter Simonischek sein Leben lang begleitet. »Da kriege ich Ganselhaut«, sagte der österreichische Schauspieler der dpa zu seinem 75. Geburtstag. Und er brillierte in vielen Rollen. In der Nacht zum Dienstag ist der Mime im Kreis seiner Familie in Wien mit 76 Jahren gestorben, bestätigte das Burgtheater.
Als Jedermann im »Jedermann« stand er so oft wie kein anderer in diesem Part bei den Salzburger Festspielen auf der Bühne. Als kauziger Alt-68er griff er gar nach dem Oscar. 2017 war »Toni Erdmann« mit Simonischek in der berührenden Hauptrolle als bester nichtenglischsprachiger Film zumindest im Finale in Los Angeles. »Es war wie ein Fünfer im Lotto, aber wenn du einen Fünfer hast, möchtest du eigentlich einen Sechser«, war sein zwiespältiges Resümee nach dem Beinahe-Erfolg in Hollywood.
Der in Graz geborene Simonischek hat auf den deutschsprachigen Bühnen fast alle Rollen gespielt – und dabei Kritik und Publikum oft tief beeindruckt. Seine Vielseitigkeit setzte Maßstäbe: Sehr authentisch gab er den schelmischen Buben wie den bösen Mann. Er spielte Liebhaber mit großer Nonchalance und nachdenkliche Charaktere mit viel Tiefgang. Ob Drama oder Komödie – die Präsenz des Schauspielers auf der Bühne oder am Set war gewaltig. Mit seiner markanten Stimme arbeitete er als Sprecher für Hörbücher oder trat – teils zusammen mit seiner Frau Brigitte Karner – bei Lesungen auf.
»Ich bin so dankbar, daß ich machen kann, was ich liebe«, sagte Simonischek, der unter anderem zwei Grimme-Preise, den Europäischen und den Deutschen Filmpreis eingesammelt hat, der dpa einmal. Dabei war der Anfang seiner Karriere als Schauspieler ein Kampf gegen das Elternhaus. »Mein Vater hat mich nach der Matura (Abitur) noch verdroschen, weil er meinte, ich werde in einer Dachkammer verhungern«, erinnerte sich Simonischek an die Reaktion auf seine Pläne. Als Zugeständnis an den Vater machte er zumindest eine Zahntechnikerlehre.
Seine Karriere führte ihn anfangs auf Bühnen in der Schweiz, wo er ein festes Engagement am Stadttheater St. Gallen erhielt. Von dort wechselte er 1970 nach Bern und kam dann über das Staatstheater im westdeutschen Darmstadt ans Schauspielhaus Düsseldorf. Ab 1979 gehörte er zwei Jahrzehnte lang dem Ensemble der Berliner Schaubühne an. Die Jahre in Westdeutschland empfand er als besonders bereichernd. »Wenn Sie fremd sind, strengen Sie sich mehr an. Im Ausland wird der Turbo gezündet«, sagte er.
Über all die Jahre blieb Simonischek aber seiner Heimat Österreich verbunden. 1982 feierte er sein Debüt bei den Salzburger Festspielen mit Goethes leidenschaftlichem, zum Wahnsinn neigenden Dichter Torquato Tasso. Beeindruckende 210 Mal – für 200 Schauspielvorstellungen, vier Lesungen und sechs Orchesterkonzerte – stand Peter Simonischek auf Bühnen der Salzburger Festspiele, wie diese am Dienstag bilanzierten.
1999 kehrte er gänzlich nach Österreich zurück – ans Wiener Burgtheater. Er spielte unter anderem in Tschechows »Platonov«, Schnitzlers »Das weite Land« und in »Der Ignorant und der Wahnsinnige« von Thomas Bernhard. In der deutschsprachigen Erstaufführung des Edward-Albee-Stücks »Die Ziege oder Wer ist Sylvia?« begeisterte er 2004 das Publikum in der Rolle des Stararchitekten Martin, der sich in eine Ziege verliebt und dadurch seine Ehe und seine Existenz vernichtet.
Im Gegensatz zu manch anderen Bühnenschauspielern ließ sich Simonischek begeistert auf den Film ein. 1980 erhielt er seine erste größere Filmrolle in Axel Cortis »Das eigene Glück und das andere«. Er drehte 1987 mit Margarethe von Trotta »Fürchten und Lieben«. 2003 hatte er eine Rolle im Heimatfilm »Hierankl« von Hans Steinbichler. 2012 gehörte er zum stargespickten Ensemble des deutsch-österreichischen Historienfilms »Ludwig II.«. Im Fernsehen spielte der Österreicher diverse Parts nicht zuletzt in Krimiserien wie »Bella Block«. Im ARD-Drama »Mit einem Schlag« (2008) verkörperte er einen Bauunternehmer, der Anfang 60 einen Schlaganfall erleidet und danach nicht mehr zu seinem alten Leben zurück kann.
Generell war ihm auf der Bühne und am Set Raum zur Entfaltung wichtig. Regisseure, die alles im Voraus besser wüßten, seien ihm ein Gräuel. »Es geht immer um Macht und den Umgang damit. Es wäre schön, wenn man nicht so viel Energie auf solche Machtspielchen verwenden müßte«, sagte Simonischek. In Erinnerung wird er einem breiten Publikum aber nicht zuletzt als Toni Erdmann bleiben. Seine Rolle als liebenswerter, schrulliger Vater, der das Verhältnis zu seiner von der Business-Welt durchgetakteten Tochter (Sandra Hüller) verbessern will, brachte ihm immenses Lob und viele Auszeichnungen.
Und ihn selbst, Vater dreier Söhne (darunter der Schauspieler Maximilian Simonischek), ließ die Rolle nachdenklich werden. »Die Kühnheit und Verrücktheit von Toni Erdmann ist schon beneidenswert. Ich wollte, es steckte mehr von ihm in mir selbst.«