Trübe Aussichten
EU-Parlament debattiert über Jugendpolitik
Vorbei sind die Zeiten der Corona-Pandemie, in denen Jugendliche als Sündenböcke herhalten mußten, weil sich viele von ihnen in Parks und auf öffentlichen Plätzen trafen und gemeinsam Bier tranken. Auch den meisten bürgerlichen Politikern älteren Semesters ist inzwischen bewußt geworden, welche Verheerungen sie mit ihrer Krisenpolitik in der jungen Generation angerichtet haben.
Im Zuge der Krise waren junge Menschen in prekärer Beschäftigung oft die ersten, denen gekündigt wurden. Das Risiko, arbeitslos zu werden, liegt bei ihnen heute EU-weit doppelt so hoch wie in anderen Altersgruppen. In den südlichen Ländern ist die Lage dabei wesentlich dramatischer: In Spanien lag die Jugendarbeitslosigkeit im November 2021 bei 29 Prozent, in Griechenland bei 39 Prozent unter den 15- bis 24-Jährigen. Die Probleme durch den Umstieg auf Online-Lehre sind enorm und die dadurch entstandenen Lücken bis heute nicht aufgeholt. Die Vereinsamung und der Verlust an Zukunftsperspektiven haben viele junge Menschen psychisch schwer belastet. Suizid ist zur zweithäufigsten Todesursache junger Menschen in der EU geworden.
Vor dem Hintergrund dieser Krisensituation hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schon im Oktober vergangenen Jahres 2022 zum »Europäischen Jahr der Jugend« ausgerufen. Daraufhin stellten mehrere Abgeordnete des Ausschusses für Beschäftigung im EU-Parlament eine Anfrage an die Kommission und den Europäischen Rat, ob dieser symbolischen Erklärung auch Taten folgen werden.
Die EU-Jugendpolitik basiert zum einen auf Programmen wie »Erasmus « oder neuerdings »ALMA«, die mittels Zuschüssen die Mobilität junger Menschen und so die Entwicklung einer »europäischen Identität« fördern sollen. Diese Zuschüsse nützen aber nur jenen, die bereits finanziell gesichert sind. Wer zum Beispiel als Student mit »Erasmus « ein halbes Jahr nach Deutschland geht, bekommt von der EU 390 Euro pro Monat – das reicht in vielen Großstädten gerade einmal für das WG-Zimmer.
Zum anderen will die EU die Beschäftigung junger Menschen schon seit 2013 durch eine »Jugendgarantie« fördern. Die Mitgliedsländer sollen allen jungen Menschen innerhalb von vier Monaten nach Schulabschluß oder Arbeitsplatzverlust einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz anbieten und erhalten dafür Fördergelder von der EU. Die Umsetzung dieser Empfehlung scheitert in einigen Ländern drastisch.
Weitere handfeste Maßnahmen konnten die zuständige Kommissarin Vera Jourová und der französische EU-Staatssekretär Clément Beaune dem Parlament in der Aussprache am 20. Januar nicht zusagen. Die Forderung mehrerer Abgeordneter der Mitte-Links-Parteien, unbezahlte Praktika zu verbieten, wies Beaune als unrealistisch zurück, es fehle der Konsens unter den 27 Mitgliedstaaten. In der BRD sind dieser Form der Ausbeutung weiterhin kaum Schranken gesetzt: Die Regierung plant nicht, den Mindestlohn auf Pflichtpraktika und Praktika unter drei Monaten auszuweiten.
In der Debatte zeigte sich, wie wenig die bürgerlichen Parteien zu einer selbstkritischen Analyse ihrer Politik in der Lage sind und sich daher auf folgenlose Sympathiebekundungen beschränken müssen.
Sandra Pereira, Abgeordnete der Portugiesischen Kommunistischen Partei (PCP), analysierte dagegen klar und illusionslos: »Die Probleme der Jugend stehen in engem Zusammenhang mit der neoliberalen Politik, die die europäischen Institutionen den Mitgliedstaaten aufzwingen. Und wenn das Rezept beibehalten wird, werden die Ergebnisse sich nicht ändern.«