Leitartikel23. Mai 2025

Die nächste Pandemie kommt bestimmt

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»Die nächste Pandemie ist keine Frage des ›ob‹, sondern des ›wann‹«, warnt der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation WHO, Tedros Adhanom Ghebreyesus. Am Dienstag haben die 194 Staaten, die – noch – der UNO-Sonderorganisation angehören, einen Vertrag beschlossen, der Panik, Chaos und kontraproduktives Regierungshandeln wie während der Coronaviruspandemie verhindern soll, wenn es wieder zu einer Gesundheitsnotlage kommt.

Bei ihrer Jahresversammlung am WHO-Hauptsitz in Genf in der Schweiz nahmen die 194 Delegationen der Mitgliedsländer den Pandemievertrag nach drei Jahren zäher Verhandlungen ohne Abstimmung an. Der Konferenzleiter fragte, ob es Vorbehalte gebe. Als sich keiner meldete, erklärte er das globale Abkommen für angenommen.

Sein Kern ist der schnelle weltweite Austausch über neue Krankheitserreger, um die Entwicklung von Gegenmitteln und Impfstoffen zu ermöglichen. Ein abschreckendes Beispiel, wie es im globalen Gesundheitsmanagement nicht mehr laufen soll, ist die Gesundheitskrise während der Coronapandemie, die von 2020 bis 2022 schätzungsweise 36 Millionen Menschenleben gekostet, das öffentliche Leben vieler Länder wochen-, wenn nicht monatelang zum Erliegen gebracht und – nicht zu vergessen! – weltweit Hunderte Millionen Lohnabhängige und Rentner zum Teil deutlich ärmer gemacht hat.

Ob das Pandemieabkommen die erhoffte Wirkung zeigen wird, ist jedoch zu bezweifeln. Washingtons Unterhändler zogen sich aus der WHO zurück, nachdem USA-Präsident Donald Trump bei seinem zweiten Amtsantritt im Januar den Ausstieg seines Landes aus der Weltgesundheitsorganisation angekündigt hatte. Die USA waren bislang der größte Beitragszahler und stellten rund ein Fünftel ihres Gesamtbudgets.

Die WHO mußte ihr Budget deshalb bereits deutlich kürzen. Insgesamt fehlen der WHO in den kommenden zwei Jahren rund 1,5 Milliarden Euro, teilte ihr Generalsekretär zum Auftakt des achttägigen Treffens in Genf mit. Durch die Kürzungen bleiben der WHO pro Jahr noch etwa 1,8 Milliarden Euro – in Anbetracht der Aufgaben sei das sehr wenig, sagte Tedros. So eine Summe werde schließlich »alle acht Stunden« weltweit für Kriegsgerät verpulvert.

Wegen der nötig gewordenen Sparmaßnahmen hat die WHO einen drastischen Stellenabbau angekündigt. Ihr Leitungsgremium soll von 14 auf sieben Positionen und die Zahl ihrer Abteilungen von 76 auf 34 halbiert werden. Neben vielen anderen muß ihr in der Coronaviruspandemie weltbekannt gewordener Nothilfekoordinator Mike Ryan gehen. Die Zahl der Mitarbeiter von weltweit rund 9.500 soll um ein Fünftel zusammengestrichen werden.

Eigentlich müßten die USA für das laufende Jahr noch ungefähr 116 Millionen Euro nach Genf überweisen. Es gilt jedoch als unwahrscheinlich, daß das Geld kommt. Der Austritt der USA aus der WHO wird Anfang 2026 wirksam.

Doch damit nicht genug. Trumps als erbitterter Impfgegner bekannter Minister für Gesundheitspflege und Sozialdienste, Robert F. Kennedy Jr., forderte die in der Schweiz versammelten Mitgliedstaaten per Videoschalte zum Austritt aus der WHO auf. Zum bereits angenommenen Pandemieabkommen sagte er in seiner Videobotschaft, die globale Vereinbarung werde »alle Fehlfunktionen bei der Pandemiereaktion der WHO verfestigen«.

Wie schon zuvor in einem Interview mit Fox News, in dem Kennedy die WHO als »todgeweiht« bezeichnet hatte, behauptete er auch gegenüber den Delegierten, die Weltgesundheitsorganisation stehe unter einem »unangemessenen Einfluß Chinas«. Aber vielleicht meint Kennedy damit die Zusicherung Beijings, der WHO in den kommenden fünf Jahren 500 Millionen US-Dollar (etwa 444 Millionen Euro) zusätzlich zur Verfügung zu stellen, während es zum Beispiel Deutschland bei zehn Millionen Euro beläßt.