Besiegte werden zu Siegern der Geschichte
Als vor einigen Tagen Jubelfeiern zum Jahrestag des »Mauerfalls« begannen, sah Frankreichs Präsident seine große Chance, in den Olymp derer aufzusteigen, die »Geschichte machen«. Er kramte ein Foto aus seiner Souvenirkiste, das ihn mit einem Hämmerchen an der Berliner Mauer zeigt. Er ließ verbreiten, die Aufnahme stamme vom 9. November 1989 – was französische Journalisten rasch als Lüge entlarvt haben.
Dieser eher tragikomische Einfall wäre nicht der Erwähnung wert, wäre er nicht ein Abbild von Sarkozys Umgang mit der Geschichte. Für ihn persönlich hat es nicht funktioniert, aber gestern hat er es in großem Maßstab nochmal versucht. Gemeinsam mit seiner Freundin Angela Merkel stellte er sich in den Mittelpunkt der traditionsreichen Feiern zum 91. Jahrestag der Beendigung des Ersten Weltkriegs. Die deutsche Kanzlerin durfte am Triumphbogen eine Rede halten, und deutsche Soldaten paradierten auf den Champs Élysées. Sarkozy will den französischen Feiertag sogar zum »Tag der deutsch-französischen Versöhnung« machen.
Es dürfte in der Geschichte wohl einmalig sein, daß die Besiegten eines brutalen Krieges anschließend von den Siegern auf das Treppchen geholt werden. Nachdem der letzte Soldat der französischen Weltkriegstruppen verstorben ist, traut sich der Präsident Frankreichs, die Geschichte auf den Kopf zu stellen! Werden demnächst auch die Bestimmungen des Vertrages von Versailles umgekehrt?
1871 und 1914 haben deutsche Truppen vergeb-lich versucht, in Paris einzumarschieren und dort eine Sieges-Parade abzuhalten. 1941 und 2009 haben sie es geschafft. Wie lange wird es dauern, bis auch die Ergebnisse des Zweiten Weltkriegs umgeschrieben und Deutschland nachträglich zum Sieger erklärt wird?
bro