Besser gemeinsam als einsam
Wohngemeinschaften als Rettungsanker
Der Mensch ist nicht nur ein Gewohnheitstier, er ist vor allem ein soziales Wesen, das ohne das Gespräch und Zusammensein mit anderen nicht kann. Was bereits gilt, wenn die Sonne scheint und der Himmel nicht von Problemen verdunkelt ist, gilt umso mehr, wenn es nicht so läuft, wie es sollte.
Für jene, die die Menschheit zu ihrem Profit beherrschen wollen, wäre es natürlich von großem Vorteil, alle in Ein-Personen-Haushalten einzusperren und vor den Fernseher zu setzen. Von daher wäre am wenigsten Widerspruch zu erwarten, aber umso mehr psychische Schädigungen. Umso vorteilhafter ist es für alle, die nicht im Familienverband leben, in einer Wohngemeinschaft mit anderen zusammen zu sein.
Was für Normalos gilt, gilt umso mehr für Menschen mit psychischen oder sozialen Problemen, die nicht überbetreut werden wollen, wie das in Heimen und Foyers jeder Art leider vielfach der Fall ist.
In aller Stille existieren auch in diesem Land bereits einige therapeutische Wohngemeinschaften – für Behinderte, für Leute auf dem Weg in die Drogenabstinenz, für Jugendliche und sogar für Leute mit sozialen Problemen wie etwa für solche, die einige Zeit in die Obdachlosigkeit gerutscht waren. Allerdings gibt es davon deutlich zu wenig.
In einigen dieser Wohngemeinschaften ist ständig ein Sozialarbeiter dabei, was als Dauerlösung nicht das Optimale ist. In den meisten schaut aber nur stundenweise wer rein, um Unterstützung zu geben, wo sie gebraucht wird, und ansonsten der Selbstbestimmung Raum zu geben.
Egal wie sind solche Wohngemeinschaften eine wertvolle Etappe auf dem Weg aus Schwierigkeiten heraus in die Selbständigkeit. Es wäre aber eine große Hilfe, wenn im Anschluß an die therapeutische Wohngemeinschaft nicht wieder eine Vereinsamung im Studio warten würde, sondern eine neue Wohngemeinschaft ohne Sozialarbeiter-Betreuung.
Dazu bräuchte es wohl eine generell positivere Einstellung in der Gesellschaft zur Wohngemeinschaft als allgemein akzeptierte Form des Zusammenlebens. Es könnte das eine alternative Form der frei gewählten Großfamilie sein, in der durchaus auch Paare mit und ohne Kinder willkommen sind.
Denn je mehr Gemeinschaft besteht, desto qualitativer wird das Leben. Und Gemeinschaft ist etwas, das zunehmend fehlt in einer Gesellschaft von Einzelgängern, die sich infolge unregelmäßiger Arbeitszeiten immer öfter auch nicht mehr in Vereinen wiederfinden, wie das noch vor ein paar Jahrzehnten die Norm war.
Aber auch Asylbewerber wie anerkannte Asylanten könnten sich in kleineren Wohngemeinschaften – erstere mit mehr, letztere mit weniger Betreuung durch Sozialarbeit – wesentlich besser in die hiesige Gesellschaft integrieren, als wenn sie in großen Foyers untergebracht sind, und das obendrein oft noch am Rande oder außerhalb der Ortschaften.
Anders bauen
Für die Akzeptanz von Wohngemeinschaften ist hierzulande noch einiges zu tun, damit nirgendwo mehr Bürgermeister und Schöffenräte deren Bildung verhindern oder einschränken wollen – sei es auf gewisse Viertel, auf Residenzen und nicht in Einfamilienhäusern oder auf eine beschränkte Zahl Zusammenwohnender. Es darf die Wohngemeinschaft nicht als Angriff auf die Familie als Kernzelle der Nation gesehen werden, denn sonst werden Leute, die ohne Familienbande zusammen wohnen als nicht normal und als Gefahr wahrgenommen.
Dies sollte in einer aufgeklärten Gesellschaft nicht der Fall sein. Daß es hierzulande teilweise doch so gesehen wird, ist nicht positiv zu bewerten. Angesichts der damit verbundenen Vorteile sowohl bei der besseren Nutzung von Wohnraum als auch im sozialen Sinne, sollten sich aber Vorurteile überwinden lassen.
Am deutlichsten sichtbar würde dies, wenn beim Wohnbau bereits die Möglichkeit von Wohngemeinschaften mitgedacht würde. Das kann in Residenzen bei Gemeinschaftsräumen über die berühmte Waschküche, den Heiz- und Fahrradraum oder die Tiefgarage hinaus beginnen und bei größeren Wohnungen bedeuten, daß keine Kleinküchen geplant werden, wie sie jetzt wieder im hauptstädtischen Gemeinderat gestimmt wurden.
Klar, eine solche Forderung ist gegen die Ellbogengesellschaft und die von den Herrschenden erwünschte Vereinzelung gerichtet. Es ist der Beginn der Umkehr dieser sozial schädlichen Tendenz und sollte daher von fortschrittlich Denkenden offensiv getragen werden.
Denn für eine zukunftsweisende Gesellschaftsform wird wesentlich mehr Zusammenhalt durch mehr Zusammensein gebraucht.
Verdichtetes Bauen darf nicht zu einem Aneinanderreihen von menschlichen Kaninchenställen führen unter dem Vorwand einer besseren Nutzung des beschränkten Raums. Binnenhöfe sind vor allem bei höherer Bauweise ein unbedingt notwendiger Raum für Gemeinschaft, damit nicht anonymes Grau das Bild bestimmt. Aber auch in größeren Siedlungen sind gegen die Vereinzelung – und die trifft auch die Kleinfamilie – Gemeinschaftsräume nötig für die Zeit, in der es kalt ist, schneit oder regnet. Daran ist aber hierzulande noch nirgends richtig gedacht worden, wo neue Viertel entstanden (sei es zum Beispiel in Schifflingen, in der Hauptstadt oder in Elmen).
Es ist also noch einiges zu tun. Zunächst für die Akzeptanz von Wohngemeinschaften (egal ob therapeutisch oder nicht) und dann für die Förderung bis hin zur Bauweise.