Ausland06. August 2025

Der verfluchte Drang zum Krieg

Militarisierung im Äußeren greift auch ins Innere

von Hartmut König

Kriegstüchtig werden!« – Die ärgsten Schreihälse aus deutscher Politik, Rüstungsindustrie und ihrem medialen Echo würden am Tage X in keinem Schützengraben liegen, das Elendsgemisch von Pulver- und Leichengestank nicht einatmen, ihre Söhne ins neutrale Ausland geschickt und vorsorglich damit begonnen haben, ihre Exkulpationsstrategien zu entwerfen.

Was sind das für Leute, für die »Kriegstüchtigkeit« heißt, nach einer verbesserten »materiellen und kulturellen Tötungstechnologie« zu suchen, fragte jüngst in der »Berliner Zeitung« der renommierte deutsche Soziologe Hartmut Rosa, und mutmaßte einen Generationsumbruch. Für die ältere Generation, noch geprägt von den grauenhaften Kriegserfahrungen ihrer Eltern oder Großeltern, sei das »Nie wieder« noch eine »sehr starke Denk- und Seinsform« gewesen. Nun stehe eine neue Generation in Verantwortungspositionen, der Krieg als aseptische Bildschirmerscheinung begegnet.

Nun: Vermutlich war die Vorgeneration doch nicht so einmütig der Einsicht des damaligen westdeutschen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker von faschistischer Kriegsschuld und alliierter Befreiungstat aus dem Jahr 1985 gefolgt. Wie sonst hätten sich in der bundesdeutschen Gesellschaft Verhältnisse stauen können, die der heranwachsenden bürgerlichen Polit-Elite jene Kälte anerzog, mit der sie heute bereit ist, aus dem »Nie wieder« ein »Wieder« zu formen?

Mahnende Stimmen, es gibt sie noch, müssen sich durch bellizistisches Sperrfeuer wagen, sollen ungehört bleiben, werden niedergeschrien. Das politische Klima klirrt vom Kettengesang militärischer Vokabeln: Deutsche Führungsrolle, stärkste Armee Europas, im Ernstfall russische Soldaten töten, Aufbau neuer Waffenschmieden, gemeinsamer »Atomwaffenschirm«, »Patriot«-Lieferung an die Ukraine, der Jugend »Wehrbegeisterung« anerziehen, kriegstaugliche Infrastruktur schaffen, Lazarette bedenken und geeignete Bunkeranlagen… Eine Litanei, die sich in den Alltag frißt und das Denken auf friedensfernem Niveau arretieren soll. Russophobe Angstmache, im Rassismus wurzelnd, bezweckt die Abgabe der Vernunft an der Garderobe verlogener vaterländischer Aufopferung.

Der Verrohung des Denkens entspricht die Verrohung der Sprache. Israel übernehme die »Drecksarbeit« für »uns«, wenn es den Iran bombardiert – Hartmut Rosa nennt die Einlassung von BRD-Kanzler Merz »Nazijargon«. Da das Denken dahinter nur heißen kann, der Krieg sei eben als Normalität zu akzeptieren und Völkerrecht je nach Interessenlage Ansichtssache, sind wir wohl am Tiefpunkt aller Auffassungen von Frieden und Völkerverständigung angelangt, die seit dem Zweiten Weltkrieg in deutscher Sprache zu vernehmen waren. Und nur einen Schritt entfernt vom Weltkrieg.

Nach den Folgen gefragt, wenn fünf Prozent der Wirtschaftsleistung künftig in die Aufrüstung fließen, sieht der Soziologe sehr wohl, daß damit die Hälfte des gegenwärtigen Staatsbudgets gebunden ist und Mittel für Bildung, Soziales oder Klimaschutz fehlen werden. Aber er weitet den Blick und fragt schärfer: »Wieviel geben wir fürs Töten aus?« Um zugleich Prämissen für Alternativen zum Krieg und ein anderes außenpolitisches Denken auszuleuchten: Entwicklung einer neuen Sicherheitsarchitektur in Europa und die Einsicht, daß diese nur mit und nicht gegen Rußland zu erreichen ist; Verhinderung eines nuklearen Infernos; wirksame Abrüstungsverträge und eine Stärkung der UNO; endlich wieder Verhandlungsbereitschaft statt Aufrüstungseifer.

Militarisierung im Äußeren drängt mit Macht auch ins Innere. Aggressivität nach draußen braucht Akzeptanz oder wenigstens Gleichgültigkeit im Lande. Das zu erreichen ist demagogische Kärrnerarbeit. Außerdem, sagt Hartmut Rosa, ließe sich »das Denken, der Feind sei das Böse und müsse potenziell vernichtet werden, (…) ganz schnell auch auf den innenpolitischen Feind übertragen«. Ich las seine Warnungen als ein an die Gesellschaft gerichtetes Stoppsignal und als Weckruf an die Friedensbewegung, die in neuer Breite und mit solcher Klarheit erstarken muß.