Leitartikel13. September 2022

Halbe Lügen und ganze Wahrheiten

von

Seit Tagen schwärmen westliche Medien über eine großartige »Offensive« der ukrainischen Truppen, und also auch »Niederlagen« der russischen Armee – und fordern daher noch mehr Waffen, um »Rußland zu besiegen«. Der Freudentaumel über vermeintliche militärische Siege ist derartig groß, daß etliche Redakteure nicht einmal bemerkt haben, daß eine soeben »befreite Stadt« schon vor Wochen als »zurückerobert« gemeldet worden war. Auch nicht, daß es kompletter Irrsinn ist zu melden, russische Truppen würden eigene Soldaten im AKW Saporoshje mit Artillerie beschießen.

Immer noch will man viele Tatsachen nicht begreifen, man badet lieber in »Erfolgen«. Leicht ist man einen Satz des preußischen »Eisernen Kanzlers« Bismarck erinnert, der einmal geäußert haben soll: »Der Krieg bekommt mir wie eine Badekur.« Die Badekur des seit dem Jahr 2014 andauernden Krieges in der Ukraine besteht in erster Linie darin, daß etliche große Banken und Konzerne angesichts maßloser Aufrüstung geradezu in Geldströmen baden, während wegen der Kosten des Krieges und des Wirtschaftskrieges gegen Rußland dem gemeinen Volk kaltes Duschen empfohlen wird. Falls es zu sehr murren sollte, wird an »unsere Werte« und »unsere Freiheit« erinnert.

Bei all dem Siegestaumel wird ausgeblendet, daß es vor allem die USA sind, die von diesem Krieg profitieren, und auch dort vornehmlich die Banken und Konzerne. Dabei geht es nicht nur um den zutiefst klimaschädigenden Export von schmutzigem Fracking-Gas in Richtung Westeuropa, und auch nicht um die Milliarden, die US-amerikanische Rüstungskonzerne zusätzlich kassieren. Was man in Brüssel und in den Hauptstädten der EU-Länder nicht bemerkt wird, und wohl auch nicht bemerken will, ist, daß die Europäische Union die wirtschaftliche Konkurrenz mit den USA haushoch verliert, da die Konsequenzen des antirussischen Wirtschaftskrieges wesentlich mehr in den eigenen Ländern spürbar sind als beim Gegner, den man »ruinieren« will.

Wahrheit ist: Es sind die herrschenden Kreise in den USA, die bestimmen, wie dieser Krieg auf dem europäischen Kontinent geführt wird, mit welchen Waffen, mit welchen Zielen und auch mit welchen Lügen. Eine zaghafte Verhandlungsbereitschaft der ukrainischen Führung in den ersten Tagen des März wurde unverzüglich gestoppt. Statt dessen produzieren PR-Unternehmen aus Übersee und auch aus der Umgebung von London tagtäglich »Meldungen« über den Kriegsverlauf, die aus halben Wahrheiten und zumeist aus ganzen Lügen bestehen und die einzig das Ziel haben, diesen Krieg möglichst lange andauern zu lassen.

Sehr deutlich wurde das auf dem Kriegertreffen auf der USA-Basis Ramstein, auf dem der Kriegsminister der USA das Wort führte und immer mehr Waffen und Geld versprach und zugleich von den teilnehmenden Staaten forderte, die mehrheitlich dem Kriegsbündnis NATO angehören. Selbst die Regierung der Möchtegern-EU-Führungsmacht Deutschland traut sich nicht, eigene Entscheidungen zu treffen und fragt bei jeder Waffenlieferung erst im Pentagon an.

Die ganze Wahrheit ist: Wenn es den Anführern der Friedensnobelpreisträgerin EU wirklich um »unsere Freiheit« ginge, und vielleicht sogar um unser aller Wohlergehen, dann sollte endlich Schluß gemacht werden mit dem Kriegstreiben, dann sollte endlich der abgerissene Gesprächsfaden mit Moskau wieder aufgenommen werden und – wie es zumindest Frankreichs Präsident Macron zuweilen versucht – über Frieden geredet werden.