Luxemburg20. Juli 2021

Der Mindestlohn aus Sicht der Schaffenden

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Seit Jahren bemüht sich die Salariatskammer, die in Patronatskreisen und den bürgerlichen Parteien herrschenden Ansichten über den bereits 1944 in Luxemburg eingeführten gesetzlichen Mindestlohn zu widerlegen. So auch in der neuen Ausgabe der von der CSL herausgegebenen »Econews«.

Statt nur die absolute Höhe des luxemburgischen Mindestlohns von 12,73 Euro pro Stunde mit dem anderer EU-Staaten zu vergleichen, wird zum Beispiel darauf verwiesen daß der hiesige Mindestlohn nach Kaufkraftäquivalent, also unter Berücksichtigung der jeweiligen Kaufkraft, nur noch 10,05 Euro pro Stunde beträgt – und damit nicht viel höher ist als in den Niederlanden mit (ebenfalls nach Kaufkraftäquivalent) 9,34 Euro oder in Frankreich mit dann 8,78 Euro ist.

Ein ganz anderes Bild ergibt sich, wenn man den gesetzlichen Mindestlohn mit den anderen zur selben Zeit in einem Land bezahlten Löhnen ins Verhältnis setzt. Beim sogenannten relativen Mindestlohn befand sich Luxemburg im Vorcoronajahr 2019 – je nach Betrachtungsweise – im Ranking auf Platz drei hinter Frankreich und Slowenien oder sogar nur auf dem sechsten Platz hinter Frankreich, Portugal, Bulgarien, Slowenien und Rumänien.

Während Mindestlohnempfänger in Frankreich im vorletzten Jahr ziemlich genau die Hälfte (49,6 Prozent) des französischen Durchschnittslohns erhielten, und in Slowenien 49,0 Prozent, so waren es in Luxemburg lediglich 44,3 Prozent, schreibt die Salariatskammer unter Berufung auf Daten des deutschen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts WSI der gewerkschaftlichen Hans-Böckler-Stiftung.

Noch drastischer fällt der Vergleich aus, wenn man den jeweiligen Mindestlohn statt mit dem arithmetischen Mittel mit dem – statistisch wesentlich aussagekräftigeren – Medianlohn ins Verhältnis setzt.

Der Median- oder mittlere Lohn ist der Lohn, den die eine Hälfte der Schaffenden in einem Land unter- und die andere Hälfte überschreitet. In diesem Fall ist der relative Mindestlohn in Frankreich am höchsten: Er lag im Jahr 2019 bei 61,4 Prozent des französischen Medianlohns. In Portugal waren es 61,0 Prozent, in Bulgarien 60,0 Prozent, in Slowenien 59,4 Prozent und in Rumänien 56,5 Prozent, während der hiesige Mindestlohn im selben Jahr demnach nur 54,5 Prozent des luxemburgischen Medianlohns betrug.

Übrigens zählt selbst die zutiefst neoliberale Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) Löhne, die nicht auf zwei Drittel (also knapp 67 Prozent) des jeweiligen Medianlohns kommen, zu den Niedriglöhnen. Der gesetzliche Mindestlohn in Luxemburg ist mit 54,5 Prozent des Medianlohns also eindeutig ein Niedriglohn.