»Lehrer sind keine Therapeuten«
SNE sieht Bildungssystem kurz vor dem Kollaps und fordert, notorische Störer im Extremfall für einige Zeit aus dem regulären Unterricht zu nehmen
Auf der Rentréespressekonferenz des national repräsentativen Lehrersyndikats der Staatsbeamtengewerkschaft SNE/CGFP wurde sein Präsident Patrick Remakel am Dienstag deutlich. Insbesondere, weil es gerade in der Grundschule immer mehr verhaltensauffällige Schülerinnen und Schüler gebe, stehe das öffentliche Bildungssystem kurz vor dem Kollaps. Manche Kinder hätten derartige Schwierigkeiten, daß »die Beschulung nicht mehr prioritär« sei, daß für sie »andere Probleme überwiegen und eine Teilnahme am Unterricht in den Hintergrund rückt«. Im Extremfall müßten solche notorischen Störer für einige Zeit aus dem regulären Unterricht herausgenommen und »von anderen Strukturen aufgefangen« werden, fordert der SNE. Lehrer seien keine Psychotherapeuten und könnten sich nicht auch noch darum kümmern. Auch hätten die anderen Schülerinnen und Schüler der Klasse ein Recht auf eine intakte Schulzeit und einen ungestörten Unterricht.
Bildungsminister Claude Meisch, so Patrick Remakel weiter, habe zwar eingestandenermaßen endlich erkannt, daß die Inklusion stellenweise an ihre Grenzen stoße, tatsächlich aber stoße der die Unterschiedlichkeit (»Diversität«) der Schülerinnen und Schüler wertschätzende pädagogische Ansatz »an ganz vielen Stellen an seine Grenzen«. In den vergangenen Jahren sei die Zahl der Kinder mit besonderen Bedürfnissen stärker gestiegen als die – vor allem personellen – Ressourcen, kritisiert die Gewerkschaft, die folgerichtig ein umfassendes Rekrutierungsprogramm fordert, um die »immer mehr frustrierten« und zum Teil »kurz vor einem Burnout stehenden« Lehrerinnen und Lehrer zu entlasten.
Außerdem fordert der SNE für alle Schulen eine spezielle »Taskforce« aus Erziehern, Krankenpflegern und Sozialarbeitern, die sich – zusätzlich zum Lehrpersonal – um verhaltensauffällige Schüler oder Kinder, die eine medizinische Betreuung nötig haben, kümmern sollen. Sind sich alle Fachleute einig, sollen Eltern angebotene Hilfen für ihr Kind nicht mehr ablehnen können und Vorschulkinder sollten »frühestmöglich« und systematisch auf Störungen ihrer Sprachentwicklung hin untersucht werden.
Auf Unverständnis stieß die Tatsache, daß Minister Meisch bei seiner Rentréespressekonferenz »kein Wort« über das Wohlbefinden und die mentale Gesundheit der Lehrerschaft verloren hat. Zu deren Verschlechterung beigetragen habe auch, daß es immer öfter zu »Spannungen und Konfliktsituationen mit Eltern« komme. Hier fordere man das Recht auf Abschalten auch für Lehrer, mehr Unterstützung durch Vorgesetzte und weitere Hilfsstrukturen für Lehrer, »denen es emotional schlecht geht«. Nur wenn die fortlaufende Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen gestoppt und umgekehrt werde, könne der Lehrerberuf wieder attraktiv für junge Menschen werden.
Hinsichtlich der bei sämtlichen Lehrergewerkschaften nach wie vor umstrittenen Alphabetisierung auf Französisch hieß es, das von Ressortchef Meisch initiierte und als »wichtigste Reform dieser Legislaturperiode« bezeichnete Pilotprojekt müsse, wie im Koalitionsvertrag von CSV und DP versprochen, unabhängig wissenschaftlich ausgewertet werden, und sämtliche Ergebnisse dieser Evaluierung müßten integral öffentlich gemacht werden. Keinesfalls dürfe es zu einer Vermischung von auf Deutsch und auf Französisch alphabetisierten Schülern in einer Klasse kommen und das Projekt solle bitteschön nicht schon wieder vom Minister »übers Knie gebrochen werden«.