Ausland17. Januar 2025

Polizeigewalt in Italien

Proteste gegen Opfer einer gnadenlosen Polizeijagd niedergeschlagen. Mailänder Staatsanwaltshaft ermittelt wegen fahrlässiger Tötung

von Gerhard Feldbauer

Seit Wochen in Italien stattfindende Proteste gegen tödliche Polizeigewalt, die sich am Wochenende in mehreren Städten fortsetzten, wurden von Polizeiaufgeboten gewaltsam niedergeschlagen. Die Proteste richteten sich gegen Polizeiübergriffe, bei denen am 24. November 2024 in Mailand der 19-jährige Ramy Elgaml, ein Migrant aus Ägypten, der seit Jahren in Italien lebte, bei einer acht Kilometer langen Verfolgungsjagd durch drei Carabinieri-Patrouillen ums Leben kam. Der junge Arbeiter saß auf dem Rücksitz eines Motorrollers, den sein 22-jähriger tunesischer Freund Fares Bouzidi steuerte. Er hatte an einem Kontrollpunkt nicht angehalten.

»Ganze Kollektive sozialer Zentren, darunter sehr junge Menschen, füllten die Plätze der Revolte, die ein gemeinsamer Nenner vereinte: ‚Gerechtigkeit für Ramy Elgaml‘«, schrieb die Agentur ANSA. In Rom versammelten sich Hunderte Menschen im Stadtteil San Lorenzo zu einer von linken Parteien und Studentengruppen organisierten Kundgebung, an der auch der bekannte Comiczeichner Zerocalcare teilnahm. Die Polizei ging mit Knüppelattacken gegen die Versammelten vor. Bei dem Handgemenge wurden laut ANSA acht Polizisten verletzt, über Opfer bei den Demonstranten wurden keine Angaben gemacht.

Bei den Protesten in Mailand, an denen Ramys Eltern und seine Freundin teilnahmen, wurde rote Farbe auf den Asphalt verschüttet, ein Transparent mit der Aufschrift »Ramy getötet, staatlicher Rassismus« gezeigt. In Turin hatten bereits am Donnerstag vergangener Woche Sozialzentren und linke Kollektive, darunter das autonome Universitätskollektiv, die Proteste angeführt.

Auf einem von Rai 3 veröffentlichten Video über die Verfolgungsjagd am 24. November im Mailänder Stadtteil Corvetto, die den Ägypter das Leben kostete, sind schockierende Bilder zu sehen. Nach einer ersten Rammung stürzte der Motorroller nicht, worauf ein Polizist sagt »Scheiße, er ist nicht umgefallen«. Als es am Endes zwischen der Via Ripamonti und der Via Quaranta zu einem weiteren Zusammenstoß kam und die beiden Jungen die Kontrolle über das Fahrzeug verloren, meldete der Polizeiwagen per Funk, daß die beiden »gestürzt« seien, darauf antwortete ein Polizist per Funk »Gut«.

Laut ANSA gehen die Mailänder Staatsanwälte von der Hypothese einer heimtückischen vorsätzlichen Tötung aus. Derzeit wird gegen den Polizisten ermittelt, der das Auto fuhr, das den Motorroller am Ende rammte. Der Fahrer des Motorrollers, Fares Bouzidi, wird ebenfalls beschuldigt. Gegen zwei weitere Polizisten wird wegen Verfahrensbetrug und Irreführung bis hin zu Beihilfe ermittelt.

Das Regierungslager mit Premierministerin Giorgia Meloni an der Spitze, die den Polizisten versicherte »Wir sind auf Ihrer Seite«, stellte sich vorbehaltlos hinter die beschuldigten Polizisten. Innenminister Matteo Piantedosi kündigte an, »die Angriffe der Protestierer« würden »strengstens geahndet«. Auch Parlamentspräsident Lorenzo Fontana brachte seine »Solidarität mit den Beamten« zum Ausdruck.

In der demokratischen Öffentlichkeit wird die tödliche Polizeigewalt entschieden verurteilt. Das kommunistische Magazin »Contropiano« bezeichnete Ramy als Opfer der verschärften Repressionsgesetze der Meloni-Regierung, denen er zum Opfer fiel, weil er ein Arbeiter mit Migrationshintergrund aus den Vororten war. Die Senatorin des Bündnisses Grüne und Linke, Ilaria Cucchi, forderte den Generalkommandanten der Carabinieri, Salvatore Luongo, auf, die beteiligten Carabinieri zu entlassen. Selbst der frühere Polizeichef von Mailand, Franco Gabrielli, verurteilte die Methoden der Carabinieri als übermäßige Kriminalisierung eines Verkehrsdelikts, für das es keine Legitimität gebe, da ein Fahrzeug ein Nummernschild habe, das notiert werden konnte.