Ausland08. Mai 2021

Nikolai Massalow – Einer von vielen

Der »rot-rot-grüne« Senat von Berlin verweigert Befreiern die Ehrenbürgerschaft

von Arnold Schölzel

Am 30. April 1945 rettete der 22-jährige Sergeant der Roten Armee Nikolai Massalow unter Beschuß mitten in Berlin an der Potsdamer Brücke ein etwa dreijähriges Mädchen. Es saß weinend neben seiner toten Mutter am Ufer des Landwehrkanals und rief nach ihr.

Seine Tat inspirierte den sowjetischen Bildhauer Jewgeni Wutschetitsch zu dem Denkmal des Befreiers, das 1949 im Treptower Park eingeweiht wurde. Am 76. Jahrestag der Tat Massalows, am Freitag vergangener Woche, berichtete das russische Nachrichtenportal SNA, daß der Gouverneur der sibirischen Bergbauregion Kemerowo, Sergej Ziwiljow, von der Referatsleiterin der Berliner Senatskanzlei Barbara Berninger ein Schreiben erhielt, in dem seine Bitte, Nikolai Massalow wieder die Ehrenbürgerschaft der deutschen Hauptstadt zu verleihen, abgelehnt wurde.

Der Senat aus SPD, Grünen und Die Linke setzt so fort, was mit antisowjetischen Schmierereien am 28. Dezember 1989 im Ehrenmal des Treptower Parks begann und mit einem Beschluß des damaligen CDU/SPD-Senats von 1992 ratifiziert wurde: So weit wie möglich das Andenken an die sowjetischen Soldaten, die 1945 Hitler und seinem letzten Aufgebot das Genick brachen, zu schänden und auszulöschen. Seit der Öffnung der DDR-Grenze am 9. November 1989 tobten sich antirussischer und antikommunistischer Haß auch wieder auf dem Gebiet der Hauptstadt der DDR aus. Der jetzige Senatsbrief nach Kemerowo, in den Kusbass, besagt: Dieser »Weststandard« gilt bis heute. In Zeiten des Aufmarsches gegen Rußland mehr denn je.

Die Ehrenbürgerliste für die Hauptstadt der DDR umfaßte beim »Anschluß« an die BRD 22 Namen. Davon strich 1992 der damalige CDU/SPD-Senat 15. »Übernommen« wurden der Maler und Karikaturist Heinrich Zille, der Maler Otto Nagel, die Schriftstellerin Anna Seghers, die Kosmonauten Sigmund Jähn und Waleri Bykowski, der Schauspieler Wolfgang Heinz und der Publizist Wieland Herzfelde.

Gestrichen wurden die SED-Politiker Walter Ulbricht und Friedrich Ebert junior, die LDPD/FDP-Politikerin Wilhelmine Schirmer-Pröscher, der sowjetische Diplomat Pjotr Abrassimow sowie elf sowjetische Befreier: Generalleutnant Fjodor Bokow, Sergeant Michail Jegorow und Sergeant Meliton Kantarija, zwei der Soldaten, die am 30. April die rote Fahne auf dem Berliner Reichstag hißten, weiterhin Marschall Iwan Konew, Generalmajor Alexander Kotikow, Sergeant Nikolai Massalow, Michail Salamantin, der Diplomat Wladimir Semjonow, Marschall Wassili Sokolowski, Marschall Wassili Tschuikow und Generaloberst Nikolai Bersarin. »Eingedenk der Opfer der Berlin-Blockade, des 17. Juni 1953, der Mauer verbietet sich die Übernahme in die Gesamtliste«, begründete der Senat.

2003 gab es eine Korrektur: Nach langjährigem Protest erhielt der erste sowjetische Stadtkommandant, Generaloberst Nikolai Bersarin wieder die Ehrenbürgerwürde. Es geht also.

Nikolai Massalows Rettungstat und die anderer Rotarmisten kannte in der DDR jedes Kind, zunächst nicht aber seinen Namen. Den nannte erst Anfang der 60er Jahre der Held von Stalingrad, Marschall Wassili Tschuikow, der 1945 Augenzeuge gewesen war, in seinen Erinnerungen. Die Tageszeitung des sowjetischen Jugendverbandes »Komsomolskaja Prawda« machte sich auf die Suche nach Massalow und fand ihn in einer Siedlung seines Heimatgebiets Kemerowo. Seine Bitte, nach dem kleinen Mädchen von 1945 zu forschen, versuchte die FDJ-Zeitung »junge Welt« zu erfüllen – vergeblich.

Nikolai Massalow starb am 10. Dezember 2001. An seinem zweiten Todestag wurde an der Potsdamer Brücke eine Gedenktafel angebracht, die auf Deutsch und Russisch an das Geschehen vom 30. April 1945 erinnert. Die russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti berichtete am vergangenen Freitag, Gouverneur Ziwiljow wolle seine Bemühungen um die Ehrenbürgerwürde für Nikolai Massalow fortsetzen. Er rechnet offenbar nicht mit der Rachsucht deutscher Regierender.